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Demo 1. Mai Berlin

Nachricht von:
Christian Worch

Parchim, den 1. Mai 2010

Demo 1. Mai Berlin

Die Unkenrufer haben nicht recht behalten, als sie meinten, wir würden
am 1. Mai in Berlin keinen Meter marschieren, wie zuletzt im Februar in
Dresden, im Herbst 2009 in Leipzig oder am 8. Mai 2005 in Berlin oder
bei diversen anderen Gelegenheiten. Sie haben immerhin halb recht
behalten. Die Wegstrecke hin und zurück war jeweils bei etwa achthundert
Metern und damit nicht ganz die, die der Veranstalter angemeldet hatte.

Andere waren bemüht, einen Streckenrekord aufzustellen.Ob ihnen ds
gelungen ist, kann wohl nur eine exakte Nachmessung ergeben. Denn ein
unangemeldeter Aufmarsch von 300 bis 350 Kameradinnen und Kameraden auf
dem berühmten Belriner Ku'damm soll zwischen anderthalb bis zwei
Kilometer Wegstrecke gehabt haben, bis er von der Polizei durch
Einkesselung beendet wurde.

Bei uns am S-Bahnhof Bornholmer Straße sah es zunächst auch nach einem
Kessel aus; wir sahen auf vier Seiten die beliebten Hamburger Gitter.
(Ja, da kommen bei einem neu-Parchimer und jahrzehntelangem nunmehr
Ex-Hamburger geradezu heimatliche Gefühle auf!) Indes bedurfte es nur
einer Ansprach von meiner Wenigkeit und eines Vortrages eines
Liedermachers, bis sich nicht nur die Reihen zum Abmarsch formieren
konnten, sondern der Kessel sogar aufging. Zuversicht gegen Unkerei: 1
zu 0!

Das der erste Zwischenhalt von locker über einer Viertelstunde schon
nach dreihundert Metern erfolgte, veränderte das Ergebnis zwar noch
nicht, kam aber -- um im fußballerischen Jargon zu bleiben -- schon einem
heftigen Lattenschuß der Unker nahe.

Aber der Einstand für die Unker-Fraktion war nicht gar so leicht; es
brauchte noch eines weiteren Zwischenstops nach etwa dreihundert Metern
und dann es letzten nach weiteren rund zweihundert Metern, bis die
unmilitärische Umsetzung des Kommandos "linksum -- kehrt!" erfolgte. Dies
bot einem weiteren Redner in Gestalt von Thomas Wulff Gelegenheit, über
die Berliner Polizei speziell und die Polizei ganz allgemein deftig
herzuziehen. Ob auch die für die Rednerliste vorgesehenen Kameraden
Dieter Riefling und Axel Reitz noch zum Vortrag kamen, habe ich nicht
festgestellt, weil die auf dem Marsch benutzte Lautsprecheranlage
erheblich schwächer war als die, die für den stationären Teil der
Kundgebung verwendet wurde.

Nach insgesamt knapp vier Stunden endete dann die Veranstaltung. Es
wurden von einem Häuserdach herunter ein paar Eier auf uns geworfen.
Irgendwo gab es auch eine kleine Schubserei mit der Polizei und ein
wenig Pfefferspray. Ernstlichere Vorkommnisse sind mir nicht
bekanntgeworden. Die Teilnehmer zählte ich mit etwa 640 Personen.
Rechnet man die 300 oder 350 vom Ku'damm dazu, die ein Einkesselung
ihrer Demo lieber am Ende derselben als am Anfang haben wollen, kommen
wir auf rund gerechnet tausend. Wenn vorher in den Medien kursierte, es
würden "3.000 Nazis" erwartet, ist darauf hinzuweisen, daß diese maßlose
Übertreibung nicht vom Veranstalter oder sonstwie aus eigenen Kreisen
stammte. Das war Berlins Innensenator Körting, der diese auch im Vorfeld
schwerlich begründbare Zahl den Medien mitgeteilt hat. Möglicherweise,
um mehr linksextremen bis bürgerlich-gutmenschlichen Protest
mobilisieren zu können.

Wenn auch die vollständige Wiederholung vor allem in letzter Zeit
blockierter Demonstrationen ausgeblieben ist, so zeigt Berlin 2010
einmal mehr, daß es noch ein weiter Weg sein dürfte, bis das nationale
Lager sich ein wirklich unumschränktes Demonstrationsrecht erkämpft hat.
Dieser Kampf wird künftig ebenso mit operativen Maßnahmen, Phantasie und
Kreativität zu führen sein wie auch vor den Schranken der Gerichte.


Christian Worch


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