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Öfter mal was neues....

Nachricht von:
Christian Worch

Parchim, 5. Dezember 2009

Öfter mal was neues....

Manchmal ist die Polizei einfallsreich. Am 5. Dezember in Königs
Wusterhausen ließen sie sich etwas einfallen, was mal völlig neu war.
Unbekannte Täter hatten in der Nacht vor der Demonstration an zwei
Punkten der Demonstrationsstrecke mit Kreide das Pflaster bemalt --
offenbar auf den Spuren es früheren Vizekanzlers und Außenministers
Joschka Fischer, der in jüngeren Jahren seinen Lebensunterhalt in
Südfrankreich als Pflastermaler bestritten hat. Während Fischer aber
wohl eher im künstlerischen Sinne tätig war, bevorzugten diese
Pflastermaler politische Parolen oder Symbole. Jedenfalls solche, die
inkriminiert waren -- die Polizei sah den Verdacht eines Verstoßes gegen
den Meinungsparagraphen 86 a StGB. Und wollte anfangs der unter dem
Tenor "Jugend braucht Perspektiven" angemeldeten Demonstration die Route
verweigern.

Die Begründung hierfür: Es handele sich um Tatorte, und deren Begehung
sei vor Beweissicherung nicht möglich....

Offenbar schien das nur für uns zu gelten. Denn eine linke
Demonstration, die zeitversetzt vor der unseren auf der gleichen Route
durch die Gegend zog, schien den "Tatort" bzw. die "Tatorte" nicht zu
beeinträchtigen...

Die von der Polizei vorgeschlagene Alternativroute war nach Auskunft
ortsansässiger Kameraden nur hundert Meter in die eine und hundert Meter
in die andere Richtung, also eher ein schlechter Witz.

Da die Versammlungsleitung nicht bereit war, sich auf so merkwürdige
Spielchen einzulassen und auf ihrem guten Recht bestand, saß die Polizei
irgendwann einmal ein, daß ihr Standpunkt rechtlich nun wirklich nicht
mehr haltbar war. Mit der für nationale Demonstrationen nicht gar so
ungewöhnlichen Verspätung von einer Stunde und 45 Minuten ging es dann los.

Im Neubaugebiet konnte der erfahrene Demonstrant dann erkennen, warum
die Polizei versuchte, mit so fadenscheinigen Vorwänden die meiner
Schätzung nach etwa sechs Kilometer lange Wegstrecke drastisch zu
kürzen. Denn die linke Demonstration hatte sich mitnichten an ihren
Zeitplan gehalten. Sie verharrte auf unserer Strecke. Man war dabei,
sich häuslich einzurichten -- sogar Bänke hatte man herangeschafft. Das
alles aber nützte nichts. Auch wenn vielleicht unwillig, so folgte die
Polizei letztlich ihrem gesetzlichen Auftrag und drängte die
Gegendemonstranten ein Stück ab, um den Weg frei zu machen.

Der Widerstand von knapp einer halben Hundertschaft linksautonomer
Demonstranten und ein paar Dutzend bürgerlichen Unterstützern
beschränkte sich darauf, einen Böller zu zünden. Wir waren angemessen
beeindruckt. Ich erwäge, Strafanzeige wegen Körperverletzung zu stellen,
weil ich ein Knalltrauma erlitten habe.

An anderer Stelle des Umzuges -- am Fontaneplatz -- hatten wir auch noch
das Vergnügen, die Reste eines Bürgerfestes zu betrachten. Auch dort
waren deutlich unter hundert politische Gegner erschienen. Mit einer
Zahl von 240 Teilnehmern nach polizeilicher Feststellung hatten wir also
kein Problem, beide Gegenaktionen zusammen zahlenmäßig zu übertrumpfen.

Nach etwas über drei Stunden und bei einbrechender Dunkelheit konnte die
Demonstration am Ausgangsort, dem Bahnhofsvorplatz, erfolgreich
aufgelöst werden. Als Redner auf der Auftaktkundgebung und den zwei
Zwischenkundgebungen traten drei Kameraden aus Brandenburg, ein Kamerad
aus Berlin sowie meine Wenigkeit auf.

Die sogenannten "Tatorte" waren als solche nur auf besonderen Hinweis
hin erkennbar; die wenigen erkennbaren Kreidestriche waren weder als
verfassungsfeindliche Parolen noch als entsprechende Kennzeichen zu
identifizieren. Aber wenigstens hat die Kripo es photographiert. Um der
Pflicht genüge zu tun. Und um begründen zu können, warum man unsere
Veranstaltung um fast zwei Stunden verzögert hat.

Parchim, 5. Dezember 2009
Christian Worch


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