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Berlin, 10.10.2009

Nachricht von:
Christian Worch

Parchim, den 11.10.2009

Berlin, 10.10.2009

Die zweite Demonstration in Berlin binnen sechs Tagen. Grund war, wie
schon am vorigen Sonntag, der Anschlag mit Molotow-Cocktails auf das
nationale Szene-Lokal "zum Henker" und der Mordanschlag auf Kamerad
Enrico, der noch immer im Krankenhaus mit dem Tode ringt.

Es war eine gute Idee von den Berlinern, zwei Demonstrationen in so
kurzer Zeit zu machen; die erste am gleichen Abend und die andere am
kommenden Sonnabend. Denn so konnten auch Menschen ihre Solidarität und
Wut ausdrücken, die von weiter her kamen. Eine sehr flüchtige
Grobzählung ergab 640 Teilnehmer, mutmaßlich mehr. Radio
Berlin-Brandenburg spricht von 750. Zusammen mit den 250 bis 300
Demonstranten vom vergangenen Sonntag bewahrheitete sich: "Wenn einer
von uns fällt, stehn tausend andre auf!"

Daran konnte auch die Polizei mit einer Pressemeldung vom späten
Freitagabend nichts ändern. Denn sie wollen sieben Tatverdächtige
ermittelt, Hausdurchsuchungen gemacht und Beweismaterial sichergestellt
haben. Angeblich soll es sich bei den sieben Personen um Leute handeln,
die weder politisch links noch politisch rechts sind. Es soll nach
ersten Erkenntnissen der Polizei ein Racheakt dafür gewesen sein, daß
diese Leute ein paar Tage vorher aus der Kneipe herausgeworfen worden waren.

Natürlich, das ist normal -- man fliegt aus einem Lokal raus und kommt
eine Woche später mit Mollies zurück, um es niederzubrennen,
vorzugsweise das ganze Haus, wo über dem Lokal noch völlig unbeteiligte
Familien wohnen. Und auf der Flucht begeht man dann ganz beiläufig noch
einen Mordversuch. Das passiert schätzungsweise fünfzigmal an jedem
Wochenende in ganz Deutschland! Eine kaum glaubliche Geschichte!
Interessant ist auch, wieso die Polizei sieben Tatverdächtige ermittelt
hat, obwohl es nach Zeugenaussagen drei Täter waren.

Man muß sich die Frage stellen, ob hier seitens der Staatsmacht nicht
einfach Öl auf die Wogen gegossen werden sollte.

Aber eine Demonstration gegen linke Gewalt in Berlin ist in jedem Fall
angemessen. Allein schon, wenn man an die jährlichen Krawalle zum 1. Mai
denkt oder daran, daß die linke Szene in Berlin bislang 229 Autos
"abgefackelt" hat, einfach deshalb, weil es sie stört, daß es noch
Menschen gibt, die sich ein Mittelklasse- oder gar ein
Oberklasse-Fahrzeug leisten können...

Daß eine solche Demonstration auch die linke Szene auf die Beine bringen
würde, war klar. Kleinere Zusammenstöße gab es am Bahnhof
Alexanderplatz. Während der Marschstrecke durch den als "rot" geltenden
Bezirk Friedrichshain begleiteten uns links und rechts des Zuges
Antifaschisten und solche, die sich dafür hielten; sie hatten ungefähr
eine ähnliche Zahlenstärke wie wir. Die Polizei war zwar massiv
vertreten, ließ aber die Gegner immer wieder recht dicht an unseren Zug
heran. Obwohl die Linken weit mehr als eine Gelegenheit gehabt hätten,
ihren "Mut gegen rechts" auch körperlich unter Beweis zu stellen,
passierte herzlich wenig. Nur ein Kamerad wurde durch Flaschenwurf (wohl
wie üblich aus der hintersten Reihe) leicht am Kopf verletzt. Er wurde
vor Ort verbunden und konnte weiter am Marsch teilnehmen.

Zur Auftaktkundgebung am Alexanderplatz sprachen der Veranstalter
Sebastian Schmidtke und meine Wenigkeit. Auf den Zwischenkundgebungen
sprachen Sebastian Richter und Lutz Giesen. Außerdem wurde ein Grußwort
von Udo Pastörs verlesen, der wegen einer schon lange vorher zugesagten
Diskussionsveranstaltung am persönlichen Erscheinen verhindert war. Zum
Abschluß sprach Jörg Hähnel. Bewegende Worte fand als letzte Rednerin
die Verlobte des Kameraden Enrico.

Laut "Der Westen" soll es 26 Festnahmen gegeben haben, davon 22 aus dem
Bereich der Gegendemonstranten.

Die kraftvolle, laute und gut motivierte Demonstration hat gezeigt, daß
Berlin schon lange nicht mehr die Hauptstadt der militanten Linken ist.
Und für uns Auswärtige gilt, soweit es die alte Reichshauptstadt
betrifft: Berlin ist immer eine Reise wert!

Christian Worch


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