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Klage Dortmund - es geht weiter....

Nachricht von:
Christian Worch

12. August 2009

Klage Dortmund - es geht weiter....

Der Ausschlußantrag gegen den Richter Winkelmann ist zurückgewiesen
worden - man kann sagen, erwartungsgemäß. Nach dem, was wir durch die
Stellungnahme des Vorsitzenden Richters Lohmann über die personellen
Probleme des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen wissen, kann man es ihnen
irgendwie noch nicht mal übel nehmen. Abseits jeglicher sachlicher
Begründung für oder wider - das Gericht würde sehr schlecht dastehen,
wenn Richter Winkelmann ausgeschlossen worden wäre...

Erheiternd allerdings fand ich den weiteren Vortrag in der Sache selbst.
Ich habe fast den Eindruck, mein bis dahin letzter Schriftsatz hat die
Polizei Dortmund ein wenig ins Schwitzen gebracht. Nämlich der Verweis
auf die Ereignisse in Bad Nenndorf am 1. August und daß es der - doch
eher ländlich oder kleinstädtisch strukturierten! - Polizei
Nienburg/Schaumburg unter anderem dank kreativer Maßnahmen gelungen ist,
das Versammlungsrecht der zumindest ganz überwiegenden Zahl der
angereisten Kameradinnen und Kameraden durchzusetzen.

Das ist bedeutsam, weil dies ein "Umstand" im Sinne des
Versammlungsgesetzes ist, also eine Tatsache, eine Erkenntnis, etwas
faktisch meßbares; NICHT eine reine Vermutung, wie sie uns dauernd in
der Verbotsverfügung präsentiert wird. Das Versammlungsgesetz fordert
aber "Umstände" für ein Verbot, und Schrifttum und sogenanntes
"Richterrecht" sagen ausdrücklich, daß bloße Vermutungen dafür nicht
ausreichen.

Also gab es eine Erwiderung der Polizei Dortmund, die ich mangels
Scanner nicht öffentlich machen kann, und hierauf erneut eine Erwiderung
von mir, die ich zur Dokumentation für alle interessierten Leser anfüge.

das Verfahren läuft also mit aller Energie weiter.

Christian Worch

Anlage: Schriftsatz vom Montag, dem 10. August 2009
(Hinweis: Ich veröffentliche meine Schriftsätze an das Gericht
grundsätzlich mit einer Zeitverzögerung von mindestens einem
Tag. Das erfordert die Höflichkeit. Denn ich habe zur Zeit keine
Fax-Leitung, bin also darauf angewiesen, die Schriftsätze per
Post zu schicken, wobei ich meist Einschreiben wähle. Diese kommen
frühestens am Tag nach der Absendung an; ein Einschreiben oftmals
auch erst am übernächsten Tag. Es wäre unhöflich, wenn mein
Schriftsatz im Netz zu lesen wäre, bevor das Gericht ihn in seiner
Poststelle vorliegen hat.)
Und jetzt beginnt die Anlage wirklich...





Christian Worch Bleicherstraße 15
19370 Parchim

TEL: 0175 -- 246 58 54

e-mail: christian@worch.info


Christian Worch, Bleicherstraße 15, 19370 Parchim Parchim, den 10.
August 2009
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
14. Kammer
Bahnhofsvorplatz 3
45879 Gelsenkirchen





Eilangelegenheit --
Bitte sofort vorlegen


In der Sache

14 L 746 / 09

ist das Schreiben des Gerichts vom 7. August mit der erneuten
stellungnahme des Gegners vom 6. August hier eingegangen.

Dazu ist zu bemerken:

Gegner irrt, wenn er meint, daß weniger als ein Drittel der 730
Teilnahmewilligen in Bad Nenndorf "autonome Nationalisten" waren.

Zum Beweis bzw. zur Glaubhaftmachung wird beantragt:
Richterliche Augenscheinnahme des Videos "Trauermarsch
Am 1. August 2009 in Bad Nenndorf",
zu finden auf der Seite
http://de.altermedia.info/
eingestellt unter dem Datum des 7. August 2009.
(Die Seite ist chronologisch rückwärts geordnet.)

Beweisthema:
Die Augenscheinnahme wird ergeben, daß in diesem etwas mehr als
sechsminütigen Video die vollständige, ca. 600 Teilnehmer umfassende
Demonstration abgelichtet ist. Hierbei ist zu erkennen, daß die Hälfte
oder knapp mehr als die Hälfte der Teilnehmer in weiße T-Shirts
gekleidet sind.

Auswertung:

Nach Gegners bisherigem Vortrag zeichnen sich "autonome Nationalisten"
durch gemeinsames Tragen schwarzer oder überwiegend dunkler Kleidung
aus, wobei insbesondere Kapuzenpullover bevorzugt werden, die zumindest
teilweise zur Unkenntlichmachung geeignet sein können. Es ist davon
auszugehen, daß von den 300 oder über 300 oder 600 Teilnehmern, die
weiße T-Shirts getragen haben, allenfalls eine Handvoll diese von
vornherein selbst angezogen hat; die ganz überwiegende Mehrzahl dieser
T-Shirts wird aus dem von der Polizei zur Verfügung gestellten Fundus
stammen. Damit waren also die Hälfte oder sogar knapp über die Hälfte
dieser 600 tatsächlichen Teilnehmer nach dem bisherigen Vortrag des
Gegners "autonome Nationalisten". Hinzu kommen noch die 130, die sich
einer Durchsuchung verweigert haben, beziehungsweise mindestens 80 von
denen, wenn -- was hier bisher nicht bekannt war -- nach Ansprache des
Versammlungsleiters von den ursprünglich 130 "Verweigerern" sich noch 50
haben durchsuchen und ggfs. mit von der Polizei zur Verfügung gestellten
weißen T-Shirts haben ausstatten lassen.

Damit muß man davon ausgehen, daß von den insgesamt 720
Teilnahmewilligen 430 oder mehr "autonome Nationalisten" waren und nur
290 oder weniger andere Teilnehmewillige; also ein Verhältnis von
ungefähr 60 Prozent Autonome Nationalisten zu 40 Prozent andere
Teilnahmewillige. Auch bei den dann tatsächlichen Teilnehmern dürfte der
Anteil der "autonomen Nationalisten" bei 50 Prozent oder knapp darüber
gelegen haben.

Maßgeblicher ist hier jedoch die Zahl der Teilnahmewilligen.

Denn es steht nach den Bestimmungen des Versammlungsgesetzes der Polizei
zu, Personen von einer Teilnahme auszuschließen, wenn die gesetzlichen
Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Dieser Ausschluß kann sowohl vor
Beginn der Versammlung erfolgen als auch währenddessen, wenn gesetzliche
Gründe für den Ausschluß erst während der Versammlung eintreten bzw.
bekannt werden.

Falsch ist, wenn Gegner behauptet, eine schlüssige Erklärung für die
Verweigerung der polizeilichen Kontrolle wäre das Mitführen von
gefährlichen Gegenständen.

Denn es hätte den erst 130, später 80 Personen, die sich nicht
durchsuchen lassen wollten, ja freigestanden, sich -- wenn sie solche
Gegenstände mit sich geführt hätten -- unauffällig dieser zu entledigen.
Das wäre deshalb möglich gewesen, weil sie -- anders als beispielsweise
am 1. Mai 2009 in Dortmund -- nicht in einem polizeilichen "Kessel"
waren, sondern sich nach hinten und teilweise auch zu den Seiten hin
hätten entfernen können. Dort hätten sie Gegenstände in einer Weise
ablegen können, daß diese ihnen nicht zuzuordnen gewesen wären, und
möglicherweise sogar in der Weise, daß sie sich nach stattgefundener
Demonstration wieder in deren Besitz hätten setzen können.

Gegner übersieht, daß es mannigfaltige Gründe dafür geben mag, sich
nicht polizeilich durchsuchen zu lassen, wenn man die Wahl hat, ob dies
geschieht oder nicht. Denn ein solcher Akt der Durchsuchung -- auch wenn
er sich auf relativ oberflächliches Abtasten beschränkt oder darauf, im
Sichtschutz eines Zeltes seine Taschen zu leeren, deren Inhalt
überprüfen zu lassen und diesen sodann wieder einzustecken -- hat in
jedem Fall den Aspekt der Entwürdigung. Manchen Menschen mag es
wichtiger sein, an einer Demonstration teilzunehmen und ihr Grundrecht
aus Artikel 8 i.V.m. mit Art. 5 GG wahrzunehmen. Wenn für mich die
einzigen Alternativen wären, mich auf einem Marktplatz für hundert
Zuschauern bis auf die Unterhose auszuziehen und anschließend wieder
anzuziehen, um an einer Demonstration teilzunehmen, würde mich das zwar
äußerst empören, aber die Teilnahme an der Demonstration wäre mir in
aller Regel wichtiger, als eine solche ---hier überspitzt dargestellte --
Entwürdigung zu vermeiden. Andere mögen in dieser Hinsicht empfindsamer
sein; es mag ihnen ihre persönliche Würde wichtiger sein als die
Teilhabe am öffentlichen Leben, die mit einer Demonstration verbunden ist.

Insofern hat Gegner also entweder mangelnde Vorstellungen davon, daß das
"polizeiliche Gegenüber" auf dessen Würde bedacht sein mag, oder er
stellt einseitig dar, was polemisch wäre.

Übrigens steht es Gegner ja frei, auch am 5. September 2009 solche
Personen von der Teilnahme auszuschließen, bei denen er meint, dafür
einen gesetzlich gegebenen Grund zu haben. (Ein Grund, den ich
möglicherweise anschließend im Verfahren der
Fortsetzungsfeststellungsklage gerichtlich überprüfen lassen würde;
genauso, wie die Veranstalter des Trauermarsches vom 1. August 2009 in
Bad Nenndorf angekündigt haben, das polizeiliche Verhalten gerichtlich
überprüfen lassen zu wollen.)

Polizeibehörden verfahren ja auch regelmäßig so, wenn beispielsweise
Gruppen von Meinungsgegnern erklären, an einer Veranstaltung des
politisch nationalen Lagers teilnehmen zu wollen. Sie lassen dann deren
Teilnahme nicht zu, weil sie genau wissen, daß diese Personen --
namentlich wenn sie viele sind -- nicht wirklich teilnehmen oder eine
rein friedliche geistige Auseinandersetzung führen wollen, sondern in
aller Regel gewalttätige Absichten haben.

Zum Schluß seiner Ausführungen widerspricht Gegner sich selbst.

Gegner geht von über 1.000 Teilnehmern am 5. September in Dortmund aus.
Jedoch gibt es nach einem Bericht des SPIEGEL vom 15. Mai 2008
bundesweit nur 400 autonome Nationalisten. Dies korrespondiert mit den
Angaben aus dem aktuellsten Verfassungsschutzbericht, dessen
Vorabfassung im Internet unter der Adresse

http://www.verfassungsschutz.de/de/publikationen/verfassungsschutzbericht/vsbericht-presse_2008/
zu finden ist.

Auf Seite 59 dieser Schrift wird angegeben, daß 4.800 Personen der
Neonazi-Szene zugerechnet werden. Auf Seite 61 der Schrift wird
angegeben, daß die Autonomen Nationalisten innerhalb des
Neonazi-Spektrums agieren und daß ca. 10 (zehn) Prozent der gesamten
Neonazi-Szene den Autonomen Nationalisten zugerechnet werden könne.
Diese beiden Seiten (Ausdruck aus der PDF-Datei, die unter oben
genanntem Link heruntergeladen werden kann) werden als

Anlagen

beigefügt.

Gegner schreibt nun auf Seite 4 oben seines Schriftsatzes, es würden
"vornehmlich" Angehörige der Autonomen Nationalisten erwartet.
"Vornehmlich" heißt mehr als die Hälfte. Wenn es nun aber nach Angaben
des Verfassungsschutzes bundesweit 480 Autonome Nationalisten gibt und
wenn nun 1.000 oder mehr Teilnehmer zu erwarten sind, können -- selbst
wenn die Mobilisierung Autonomer Nationalisten 100 Prozent wäre, was
wegen ihrer bundesweiten Verstreutheit als unmöglich angesehen werden
muß -- diese nicht die Mehrheit von 1.000 Personen bilden; dazu müßten
sie 501 sein.

Einmal mehr stellt sich Gegners Argumentation als unseriös dar.

Das Gericht wird hiermit höflich gefragt, wann es über die Anträge auf
verfahrenslenkende Weisung zu entscheiden gedenkt.

Als Kläger bzw. Verfügungskläger /Antragsteller



Christian Worch


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