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Rechtsbruch in Lüneburg

Nachricht von:
Christian Worch

Hamburg, den 11. April 2009


Rechtsbruch in Lüneburg:

Die Demonstration kam ungefähr hundert Meter weit. Dann wurde sie von
der Polizei angehalten. Angeblicher Grund: Eine Straßenblockade an der
nächstgelegenen Brücke. Nur war da leider nichts zu sehen. Erst an der
übernächstgelegenen hielten sich nach Beobachtungen von den Zug außen
flankierenden Kameraden bei vierzig bis höchstens fünfzig Leute von der
Antifa auf. (die Medien sprechen von achtzig, was auch nicht soooo viel
mehr ist.)

Trotzdem wollte die Polizei uns zu einer Wegstreckenänderung nötigen.
Ja, nötigen muß man es nennen, denn der Kontaktbeamte sagte in frecher
Offenheit, wenn wir die nicht akzeptieren würden, würde die
Demonstration aufgelöst. Nötigung ist im Sinne des Strafrechts
bekanntlich ein Versuch, jemanden zu einem Tun oder Dulden durch
Androhung eines rechtswidrigen Übels zu bewegen. Die Androhung der
Auflösung ebenso wie die nicht lange später erfolgte tatsächliche
Auflösung der Demonstration war rechtswidrig. Es war nach meinem
Zeitprotokoll 14.13 Uhr, und die Demonstration war gerichtlich bis 16.oo
Uhr zugelassen, zusätzlich noch mit der Maßgabe, daß Verzögerungen, die
nicht wir verschulden, als Zusatzzeit hinten angehängt werden.

Aber einige Beamte scheint Recht und Gesetz überhaupt nicht mehr zu
scheren, wenn es um die Durchsetzung politisch erwünschter Ereignisse
geht. Also wurde erst aufgelöst, und dann sah sich eine Stunde später
die Polizei mit den Mitteln „einfacher körperlicher Gewalt“ imstande,
150 Personen, die dem passiven Widerstand entgegensetzten, vom
Bahnhofsplatz wegzudrängen. (Die Medien sprechen übrigens von 250
Teilnehmern, aber ich denke, die von der Polizei gegenüber dem
Veranstalter gemachte Schätzung oder Zählung von 150 ist realistischer.)
Erstaunlich, daß sie sich vorher dazu bei vierzig oder fünfzig oder von
mir aus auch achtzig Personen nicht imstande gesehen haben...

Aber auch hier scheint einige Beamte Recht und Gesetz überhaupt nicht
mehr zu scheren.

Geradezu als zerstörungswütig erwiesen die Beamten sich auch noch, als
sie die Lautsprecheranlage demolierten. Was schert hir Recht und Gesetz....

Der Veranstalter hat rechtliche Schritte angekündigt; die zuständigen
Gerichte haben sowohl der Stadt Lüneburg als auch der Polizeiinspektion
Lüneburg schon mehrfach einen Dämpfer erteilt. (Siehe kleine Chronik im
Anhang.) Außerdem darf die Stadt Lüneburg sich auf eine neue
Demonstrationsanmeldung freuen. Diesmal nicht gegen linke Gewalt,
sondern gegen Polizeigewalt.

Anhang: Kleine Chronik der Rechtsbrüche von Stadt und Polizei Lüneburg:

Vor mehr als zehn Jahren: Im Anschluß an eine Demonstration
beschlagnahmt die Polizei Lüneburg eine Toncassette mit allen drei
Strophen des Deutschlandliedes. Der betroffene Besitzer, der bekannte
norddeutsche Aktivist Manfred Börm, ruft das Gericht an. Das Gericht
hebt die Beschlagnahme nicht nur auf, sondern der Richter drückt auch in
höchst offenen Worten sein Unverständnis darüber aus, wie jemand – zudem
noch ein Beamter! – auf den Gedanken kommen könnte, die erste Strophe
des Deutschlandliedes sei strafbar oder deren öffentliches Abspielen in
irgendeiner Weise ordnungswidrig....

Frühjahr 1998: Ein von den Behörden noch nicht als „rechts“ verorteter
Kamerad schleicht sich in eine Arbeitsloseninitiative ein. Er regt an,
eine Demonstration anzumelden. Man erteilt ihm dafür Zustimmung, also
tut er es. Aber während von der Arbeitsloseninitiave kaum ein Dutzend
Leute kommen, kommen mehrere Dutzend Kameraden. Die Polizei ist zwar
überrascht, verhält sich aber korrekt, nachdem der Anmelder bekundet,
daß diese Demonstranten ihm nicht unwillkommen sind. Unkorrekt verhält
sich nur Oberbürgermeister Maedge höchstpersönlich. Er versucht einem
Demonstranten das Megaphon wegzureißen. Ein bekannter norddeutscher
Aktivist beantwortet diesen versuchten Raub mit einem ordnungsgemäßen
Bodycheck, und OB Maedge wird von der Polizei höflich daran gehindert,
weiterhin das Recht in die eigene Hand nehmen zu wollen.

Sommer 1998: Ein Polizeioffizier im Rang eines Hauptkommissars entreißt
einem Kameraden grundlos die Kamera und schleudert diese am Halteriemen
kräftig auf den Boden, so daß sie zerbricht. Es kommt zur Anklage und
Verhandlung wegen Sachbeschädigung. Dem Polizisten kann nicht
nachgewiesen werden, die Kamera bewußt zerstört zu haben; angeblich ist
ihm der Trageriemen aus der Hand geglitten.... Aber das Gericht ist von
dieser Version so wenig überzeugt, daß es nicht für einen Freispruch
reicht (fahrlässige Sachbeschädigung ist nicht strafbar, nur
vorsätzliche), sondern lediglich das Verfahren eingestellt wird, und
zwar in der Weise, daß der Polizist seine eigenen Kosten und Auslagen
selbst tragen muß. Da er sich anwaltlich vertreten ließ, wird das nicht
ganz billig gewesen sein.

Vor ca. vier Jahren: Der bekannte norddeutsche Aktivist Stefan Silar
will mit weit über zweihundert Gästen und Live-Musik seinen Geburtstag
feiern. Die Polizei Lüneburg erteilt schon bei der Anreise über hundert
Gästen Platzverweise, weil „gegen sie polizeiliche Erkenntnisse
vorlägen“. Stefan Silar klagt dagegen und gewinnt vor dem Verwaltungs-
und Oberverwaltungsgericht; die Platzverweise waren rechtswidrig.

Januar 2006: Eine von mir angemeldete Demonstration gegen § 130
Strafgesetzbuch wird von der Stadt Lüneburg verboten. Das
Bundesverfassungsgericht hebt das Verbot auf, womit es sich nicht nur
als rechtswidrig, sondern sogar als verfassungswidrig erwiesen hat.

Juni 2007: Im Anschluß an eine Spontandemonstration werden rund hundert
Teilnehmer für rund acht Stunden in Gewahrsam genommen. Drei bekannte
Akivisten führen dagegen ein Musterverfahren. Sie gewinnen zunächst vor
dem Amtsgericht und danach noch einmal vor dem Landgericht als
Rechtsmittelinstanz – die zuständigen Gerichte stellen fest, daß die
Ingewahrsamnahmen rechtswidrig waren.

Akut: Die Stadt Lüneburg verbietet die von dem bekannten Aktivisten
Christian Sternberg für den 11. April angemeldete Demonstration ebenso
wie zwei zeitgleich angemeldete Mahnwachen, die vor Christian Sternbergs
Ladengeschäft und Paul Plagemanns Tätowierstudio stattfinden sollen. Die
Verbote werden vom Verwaltungsgericht aufgehoben.

Akut: Dafür versucht die Stadt, die Demonstration zu behindern, indem
sie ihren Beginn willkürlich von 13.oo auf 16.oo Uhr verlegt. Auch
dieser Willkürakt wird vom Verwaltungsgericht aufgehoben.

Die kleine Chronik wurde aus dem Gedächtnis erstellt und erhebt keinen
Anspruch auf Vollständigkeit. Trotzdem sieht man hieran schon, daß
rechswidriges Handeln sich wie ein roter Faden durch Lüneburg zieht, und
zwar sowohl bezüglich der Stadt als Versammlungsbehörde als auch
bezüglich der Polizei.

Hamburg, den 11. April 2009
Christian Worch


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