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Zur Volksfront

Nachricht von:
Christian Worch

Hamburg, den 2. Januar 2009

Zur „Volksfront“:

Erinnern wir uns an die Zeit vor etwas mehr als vier Jahren, Spätsommer
2004. Die Erinnerung ist notwendig, weil gerade an unserer Basis eine
hohe Fluktuation herrscht und viele von den jüngeren Kameradinnen und
Kameraden damals noch gar nicht dabei waren. Vielleicht ist die
Erinnerung auch notwendig, weil wir in einer schnellebigen Zeit sind, in
der aktuellste Nachrichten sich manchmal sogar stündlich jagen und kaum
etwas uninteressanter ist als die Tageszeitung von gestern. Das ist nun
mal so in einer Demokratie, die Legislaturperioden von vier
beziehungsweise fünf Jahren hat und wo die demokratischen Machthaber zum
Ende einer Legislaturperiode das Wahlvolk vergessen machen wollen, was
für Versprechungen sie am Anfang eben dieser vier- bis fünfjährigen
Legislaturperiode gebrochen haben...

Im September 2004 wurde diese „Volksfront-Erklärung“ veröffentlicht, von
der sich ihr Hauptinitiator Thomas Wulff nunmehr wieder verabschiedet.

Um die Situation zu verstehen, muß man aber noch weiter zurückgehen.
Denn die außer von Thomas Wulff auch von den prominenten vormals
parteifreien Aktivisten Thorsten Heise und Ralph Tegethoff
unterzeichnete Erklärung war inhaltlich nicht wirklich neu. Einen
Vorläufer dafür hatte es ab 1996 für die Dauer von lustigerweise
gleichfalls etwas über vier Jahren schon gegeben. Neu war nur, daß es
sich damals um ein „informelles Bündnis“ gehandelt hatte und nicht um
ein „quasi-formelles“, wie es mit dieser „Volksfront-Erklärung“
suggeriert werden sollte.

Das erste „informelle Bündnis“ entstand, als Udo Voigt die
Unvereinbarkeitsbeschlüsse der NPD gegenüber radikaleren Kräften
aufheben ließ und die NPD zugleich für diese radikaleren Kräfte öffnete.

Von der Öffnung der Partei machten damals nur wenige Gebrauch, von dem
stillschweigenden und informellen Bündnisangebot aber nahezu alle
parteifreien Aktivisten.

Das war sehr logisch, denn dieses informelle Bündnisangebot hatte eine
„Geschäftsgrundlage“, um es einmal in der Nomenklatur des real
existenten Kapitalismus auszudrücken. In den Jahren zwischen 1996 und
2000 war die NPD ein relativ verbotssicherer Anmelder von
Demonstrationen, während die Repression nationalistisch ausgerichtete
Demonstrationen, die sich nicht auf das spezielle Parteienprivileg
stützen konnten, nahezu durchgängig verbot. Somit hatte die NPD
radikalen parteifreien Kräften tatsächlich etwas zu bieten.

Es war jedoch nicht ein freiwillig-einseitiges Geben von der einen Seite
und ein egoistisches Nehmen von der anderen Seite her. Damals war die
NPD personell noch deutlich schwächer als heute. Und abseits der reinen
Zahl von Mitgliedern war sie auch im Gegensatz zu heute relativ
mobilisierungsschwach. An den Demonstrationen der Partei nahmen
regelmäßig erheblich mehr parteifreie Aktivisten teil als
Parteimitglieder. So entstand also über ein paar Jahre hinweg eine
Symbiose. Eine Symbiose ist die erfolgreiche und wechselseitig nützliche
Verbindung zweier Wesen, während Parasitentum die Ausnutzung einer
Spezies durch die andere ist.

Diese Symbiose fand ihr zeitweiliges Ende im Jahre 2000, als die NPD –
übrigens völlig unschuldig – unter Verbotsdruck geriet. Sie reagierte
auf diesen Verbotsdruck damit, daß sie sich selbst zunächst einmal ein
anfänglich unbefristetes Demonstrationsverbot auferlegte. Erst als die
Hoffnung, mit dieser – dann letztlich doch zeitlich befristeten –
Selbstbeschränkung die Einleitung des Verbotsverfahrens zu vermeiden,
sich nicht erfüllte, wurde es wieder aufgehoben.

Zwischenzeitlich aber hatten sich parteifreie Kräfte das eigene
Demonstrationsrecht auch unabhängig vom Parteienprivileg vor dem
Verfassungsgericht erstritten. Die ursprüngliche „Geschäftsgrundlage“
bestand damit insofern nicht mehr. Die NPD war nicht mehr in der für sie
privilegierten Lage, etwas zu haben, was wir, parteifreie Kräfte, in
dieser Art nicht hatten.

Damit entstand eine zeitweilige Konkurrenzsituation, denn zum
„Drei-Säulen-Konzept“ der NPD gehörte nun einmal noch vor dem Kampf um
die Köpfe und dem Kampf um die Parlamente der Kampf um die Straße; auf
der Straße präsent zu sein und sich zu behaupten, ist eine wichtige
Voraussetzung dafür, Köpfe zu gewinnen, und Köpfe sind eine wichtige
Voraussetzung dafür, erstens in die Parlamente zu kommen und dort
zweitens ausreichend gute Sacharbeit leisten zu können.

Wenn die NPD zwischen 1996 und 2000 sich selbst gelegentlich als die
„organisatorische Speerspitze des nationalen Widerstandes“ bezeichnet
hat, war das nicht völlig richtig: Aufgrund des grundgesetzlichen
Parteienprivilegs war sie damals weit eher die juristische als die
organisatorische Speerspitze. Denn daß die organisatorischen Kapazitäten
der NPD speziell für Demonstrationen etwa größer gewesen wären als die
des parteifreien Widerstandes, konnte man schwerlich behaupten. Eher
umgekehrt...

Die zeitweilige Konkurrenzsituaton der Jahre 2000 bis 2004 war ein Hin
und Her von Zusammen und Gegeneinander; ein eher internes als
allgemeines Gerangel um szenischen Einfluß, um Positionen oder einfach
um Gesten.

Dieses Gerangel soll nicht überbewertet werden, auch wenn es bei
Einzelnen von uns Spuren hinterlassen hat. Diese Spuren sind aber eher
persönliche Betroffenheit als grundlegende Differenzen, denn die
ideologischen Unterschiede waren in dieser Phase weder größer noch
geringer als früher. Oder, positivistischer ausgedrückt: Die
ideologischen Gemeinsamkeiten waren nicht geringer als früher.

Wulff, Heise und Tegethoff versuchten, diese Situation durch die
„Volksfront-Erklärung“ positiv aufzulösen. Die Absicht dahinter war eine
gute. Aber sowohl der Anlaß als auch die Form bargen Mängel in sich.

Der schwerwiegendste Mangel war, daß die „Volksfront-Erklärung“ in einem
Moment erfolgte, wo die NPD erstmals seit den späten 60-er Jahren wieder
in ein Parlament eingezogen war, wenn auch nur in einem Bundesland und
speziell natürlich in einem mitteldeutschen Bundesland, wo die
Verhältnisse für uns nun mal einfach günstiger waren und sind als in der
Alt-BRD.

Sowohl bei Außenstehenden als auch bei szenischen Betrachtern konnte
damit nur zu leicht der Eindruck entstehen, dies sei ein „Aufspringen
auf den fahrenden Zug“. Nützlicher wäre die „Volksfront-Erklärung“
gewesen, wenn sie ein paar Monate vor dieser für die NPD bahnbrechenden
Wahl erfolgt wäre; oder aber wenn man sich nach dem Wahltermin
mindestens ein halbes Jahr oder so Zeit gelassen hätte. Der unmittelbare
zeitliche Zusammenhang konnte nur zu leicht den falschen Eindruck erwecken.

Nachdem sich der erste Taumel der Begeisterung über den Erfolg in
Sachsen im September 2004 gelegt hatte, mehrte sich die Skepsis an der
„Volksfront“. Und das hing nicht nur mit dem etwas ungünstigen Namen
zusammen. Es erhob sich vor allem auch die Frage nach der
„Geschäftsgrundlage“. Welche „Geschäftsgrundlage“ das informelle Bündnis
der Jahre 1996 bis 2000 hatte, ist dargelegt und war damals für alle
ersichtlich, wurde teilweise sogar offen ausgesprochen. Welche
„Geschäftsgrundlage“ die „Volksfront“ hatte, wurde nie dargelegt und war
auch niemals ersichtlich. Das Bestreben, gemeinsam – und von
verschiedenen Ebenen des politischen Wirkens her – etwas zu erreichen,
für die gemeinsame Sache, das deutsche Volk und Vaterland? Das ist
zweifellos nicht nur nobel, sondern sogar notwendig. Aber es ist eine
Absichtserklärung, von mir aus auch eine politische Philosophie, nicht
jedoch irgendeine Art von „Geschäftsgrundlage“. Absichtserklärungen an
sich sind preiswert, um das negativ belegte Wort „billig“ nicht zu
verwenden. Sie haben in der Politik geradezu inflationären Charakter.
Für die meisten kann man sich nicht mal eine Tasse Kaffee oder eine
warme Suppe kaufen, geschweige denn den Tank eines Einsatzfahrzeuges
füllen...

Es wurde auch ein wenig übersehen, daß es im Jahre 2000 einen –
wenngleich eher geringfügigen – Vertrauensverlust gegeben hat. Ein
Vertrauensverlust an sich ist nicht schlimm. In den allermeisten Fällen
ist er heilbar. Aber er zeigt letztlich doch, daß die Interessen einer
Partei andere sind als die eines parteifreien Widerstandes. Das ist eine
völlig natürliche Sache. Was nach bundesdeutschem Gesetz eine Partei zu
sein hat, wird in § 2 des Parteiengesetzes definiert: „Parteien sind
Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den
Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung
Einfluß nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag
oder einem Landtag mitwirken wollen,(...)“ Parlamentarisch vertreten zu
sein ist die Hauptaufgabe einer Partei. Ist sie das nicht, ist sie so
nützlich wie ein Gewehr ohne Munition.

Da man, um parlamentarisch vertreten zu sein, entsprechende
Wahlergebnisse haben muß, ist das immer das Hauptaugenmerk einer Partei.
Sie mag sich auch auf andere – durchaus wichtige oder notwendige – Dinge
konzentrieren; ihr Hauptaugenmerk aber sind Wahlen beziehungsweise
Wahlergebnisse. Anderes muß für eine Partei demgegenüber zurücktreten.

Parteifreie Kräfte hingegen wollen sich einem solchen Zwang nicht
unterwerfen; sonst wären sie nicht parteifrei, sondern würden sich
entweder einer Partei anschließen oder selbst eine gründen oder aber
zumindest eine Wählerinitiative, die – unterhalb der formalen Schwelle
der Parteiengründung mit all ihren Einschränkungen – gleichfalls an
Wahlen teilnimmt. (Wobei Wählerinitiativen bisher nie in den Deutschen
Bundestag oder ein Landesparlament gekommen sind, sondern, wenn
überhaupt, immer nur auf der Ebene kommunaler Wahlen erfolgreich waren.)

Der grundlegende Unterschied muß übrigens keine Differenz im Sinne eines
Streitpunktes sein. Viele Wege führen nach Rom. Ich halte keinen davon
für allein seligmachend. Es werden vermutlich die synergischen Effekte
sein, die einen Erfolg herbeiführen. So, wie im Krieg keine
Waffengattung allein den Krieg gewinnen kann, sondern nur der verbundene
Einsatz aller Waffen und Waffengattungen. Zeitweilig mag die eine
wichtiger oder erfolgversprechender sein als die anderen, aber unter dem
Strich wird sich das ausgleichen. Da Politik und Krieg einander sehr
ähnlich sind, sieht es in der Politik nicht viel anders aus.

Was also wundert Thomas Wulff, wenn sich Vorstandskreise der NPD
zumindest zeitweilig ein wenig mehr als früher vom „Volksfront“-Gedanken
absetzen?

Vielleicht sind die „Macher“ dieser „Volksfront“ einfach nicht von
vornherein wirklich ehrlich miteinander umgegangen? Ich habe aus den
Jahren 1998 und 1999 noch gut in Erinnerung, wie Udo Voigt mir zweimal
sagte: „Bündnisse schließt man, wenn man schwach ist.“ Beim ersten Mal
war auch Thomas Wulff dabei. – Ich verurteile diesen Grundsatz nicht
moralisch. Ich reduziere ihn auch nicht auf Udo Voigt als Person. Im
Gegenteil muß man sogar anerkennen, daß Udo Voigt höchstwahrscheinlich
recht offen das ausgesprochen hat, was viele andere – vor allem
alteingesessene – Parteifunktionäre gedacht haben und noch immer denken.
Auch wenn Udo Voigt ansonsten manchmal die kleine Schwäche hat, ein
wenig übertrieben diplomatisch zu sein und daher mehr zu allgemeinen als
zu präzisen Aussagen zu neigen, hat er in dem Punkt ganz offen und
ehrlich seine Meinung gesagt. Daß ich es anders sehe, heißt noch lange
nicht, daß meine Meinung richtiger sein muß...

Vielleicht gab es von beiden Seiten her Hintergedanken. Das ist oftmals
so, wenn man Verträge oder Bündnisse schließt. Jeder hat spezielle
Erwartungen, die auf seine Bedürfnisse zugeschnitten sind, und man
bekommt nicht immer im Verhältnis eins zu eins das, was man sich von so
einem Vertrag oder Bündnis verspricht. Die NPD wollte ihre politische
Schlagkraft durch (neuerliche) Miteinbindung radikaler parteifreier
Kräfte erhöhen. Vielleicht schielte sie auch ein wenig darauf, daß dem
Beispiel der drei prominenten vormals parteifreien Nationalisten Wulff,
Heise und Tegethoff möglichst viele andere folgen und als Mitglieder
beitreten würden. Diese hingegen hatten die Vorstellung, die NPD weiter
zu radikalisieren, weil eben parteifreie Kräfte üblicherweise nun mal
radikaler sein können als eine Partei, die in stärkerem Maße gesetzliche
Grundlagen berücksichtigen muß als wir. Liebesheirat oder Zweckehe? –
Egal, in der heutigen Zeit sind die meisten Ehen sowieso nicht mehr so
haltbar wie früher. Man kann zwar hoffen, daß es im einzelnen Fall
anders kommt, aber man muß leider auch mit dem Gegenteil rechnen.

Der mögliche – nein: wahrscheinliche! – Hintergedanke der Partei dürfte
der gleiche wie in den Jahren 1996 bis 2000 gewesen sein: Vermehrte
Stoßkraft von Aktivisten, nicht allein für Demonstrationen, sondern auch
für den Kernbereich parteilicher Aufgaben, sprich Wahlkämpfe.
Vorzugsweise auch eine Mitgliederschwemme; denn nachdem die
Hauptinitiatoren der „Volksfront“-Erklärung der NPD beigetreten waren,
hoffte man, daß viele ihrem Beispiel folgen würden. (Allerdings waren es
wohl nicht soooo viele. Oder die Partei hat anderswo fast genau so
schnell Mitglieder verloren, wie sie neue aufgenommen hat, denn unter
dem Strich gingen die Mitgliederzahlen eher langsam als steil nach oben.)

Der mögliche – nein: wahrscheinliche! – Hintergedanke der
Hauptinitiatoren der „Volksfront“-Erklärung dürfte gewesen sein: Einfluß
innerhalb der Partei zu gewinnen, um die NPD zunehmend in die von ihnen
gewünschte Richtung zu lenken.

Natürlich lassen sich beide Dinge bis zu einem gewissen Maße
realisieren. Aber eben nur bis zu einem gewissen Maße. Ich kann nicht
Parteimitglied und zugleich parteifrei sein – es geht immer nur das eine
oder das andere. Ich kann als parteifreier Aktivist einer Partei
nahestehen, mit ihr zusammenarbeiten, mich für sie einsetzen. Ich kann
umgekehrt als Parteimitglied die Nähe zu und Zusammenarbeit mit
parteifreien Kräften suchen und mich an ihren Aktionen beteiligen und
sie auf andere Weise unterstützen. Ich kann auf zwei verschiedenen
Hochzeiten tanzen, aber ich kann nicht auf zwei Hochzeiten zugleich der
Bräutigam sein; das wäre Bigamie.

Hoffnungsvolle Menschen wollten gern zumindest teilweise Erfolge der
„Volksfront“ sehen. Da wurde dann zunächst Thorsten Heise in den
NPD-Bundesvorstand gewählt. (Zweifellos nicht der erste Radikale, der
dort jemals gesessen hat. War nicht auch Steffen Hupka zeitweilig
Mitglied eben dieses Bundesvorstandes?!) Später auch Thomas Wulff, und
schließlich Jürgen Rieger, der es aktuell sogar zu einem der drei
Stellvertreterposten des Bundesvorsitzenden gebracht hat. So mancher hat
das als weiteres Vordringen radikaler Kräfte oder Positionen innerhalb
der NPD gewertet, dabei aber übersehen, daß im gleichen Atemzug Thomas
Wulff nicht mehr in den Parteivorstand gewählt wurde. Oder, richtiger
ausgedrückt: Abgewählt wurde. Daß er vorher schon den bezahlten Posten
als persönlicher Referent Udo Voigts verloren hatte, war offenbar nicht
allein den finanziellen Engpässen der NPD geschuldet. Denn schon bevor
sie infolge der Rückzahlungsforderung der Bundestagsverwaltung Personal
entlassen mußten, war Wulff gekündigt worden. Ob das nun eine politische
Entscheidung war, um die weniger radikalen Kräfte innerhalb der NPD zu
besänftigen, oder ob Thomas Wulff auf diesem Posten nicht die
Erwartungen seines Dienstherrn erfüllen konnte, mag dahingestellt
bleiben. Soweit ich die Aufgabe des persönlichen Referenten eines
Parteiführers verstanden habe, muß man dazu wohl in erster Linie
Bürohengst sein; und das ist Thomas Wulff bei all seinen sonstigen
Verdiensten und Fähigkeiten eher nicht.

Klar war aber, daß die Radikalisierung der NPD nur bis zu einer gewissen
Schwelle gehen konnte. Klar war auch, daß die eher nicht-radikalen
Kräfte innerhalb der NPD das alles nicht völlig tatenlos hinnehmen
würden. Vor allem da, wo es nicht allein um politische Positionen geht,
sondern wo es gut dotierte Mandate gibt oder berufliche Möglichkeiten
als Mitarbeiter einer Fraktion, gesellen sich zu den eigentlichen
politischen Gründen durchaus noch persönliche. Tja, auch wenn es eine
traurige Wahrheit ist, muß sie ausgesprochen werden: Politik
funktioniert bis zu einem gewissen Maße nicht viel anders als
Marktwirtschaft, sprich Kapitalismus. Selbst in der NSDAP gab es
„Goldfasane“, und so mancher Träger des goldenen Parteiabzeichens
vermochte seine Parteimitgliedschaft auch im finanziellen Sinne zu
vergolden.

Letztlich kalkulieren die Parteistrategen natürlich auch ganz nüchtern,
daß Randgruppen allein nicht ausreichen, um Wahlerfolge zu erzielen. Man
braucht sich nicht einmal die NPD anzuschauen, um das zu wissen. Wer alt
genug ist, erinnert noch, wie es bei den GRÜNEN war. Nicht jeder
vormalige Straßenkämpfer kann zum Außenminister und Vizekanzler der
Republik mutieren. Von dem Klientel, das sie anfangs in die Parlamente
gebracht hat, haben die GRÜNEN sich inzwischen nahezu völlig getrennt.
Inzwischen können sie sich mit der FDP darum streiten, wer denn nun
wirklich die „Partei der Besserverdienenden“ ist...

Diese Spannungen waren mithin vorprogrammiert. Ein Geburtsfehler der
„Volksfront“.

Nach Thomas Wulffs Meinung wird die „Volksfront“ nunmehr davon
eingeholt, und mithin ist sie zu beenden. Meint er.

Genauso, wie das Konzept der damaligen „Volksfront“-Erklärung ein
unausgegorenes war, ist diese Meinung eine unausgegorene.

Nicht weniger unausgegoren ist, daß Thomas Wulff selbst (noch)
NPD-Mitglied ist und daß er seinen Anhang innerhalb der NPD auffordert,
zumindest noch Mitglied zu bleiben. Nix Ganzes, nix Halbes. Eher
Ausdruck eines allgemeinen Unmutes als eine wirkliche politische
Entscheidung.

Dabei ist die Lösung doch viel einfacher; sie wäre es schon im Jahre
2004 gewesen: einfach. Statt einer tönenden Erklärung, von der sich bei
genauer Betrachtung eigentlich keiner vorstellen konnte, was damit nun
gemeint war, sollte man an Nägel mit Köpfen denken. An genaue
Absprachen. Soweit das parteifreie Lager überhaut zu Absprachen imstande
ist. Denn es darf dabei bitte nicht übersehen werden, daß dieses noch
inhomogener ist als die NPD. Denn auch wenn ich nicht der ausgesprochen
Fan demokratischer Wahlen bin, haben sie immerhin einen Vorteil: Wer
gewählt ist, hat zumindest für eine gewisse Zeit ein Mandat. Hier: ein
Mandat innerhalb der NPD. Also weiß ich, daß für eine gewisse Zeit eine
wie auch immer große Mehrheit hinter ihm steht. Nicht, daß man diese
überschätzen sollte. Wenn tausend Sesselhocker und Schreibtischhengste
hundert Aktivisten niederstimmen, sind mir die hundert Aktivisten noch
immer zehnmal mehr wert als diese Sesselhocker, Schreibtischhengste oder
rein virtuellen Helden. Aber als parteifreier Aktivist kann ich mir das
leisten. Wäre ich Parteimitglied, könnte ich mir diese Ansicht eben
nicht leisten. An dieser so grundlegenden und auch einfach zu
erkennenden Situation ist das wulffsche Konzept der „Volksfront“ in
ihrer ursprünglichen Form gescheitert.

Ersetzt werden kann es durch das, was man von Anfang an stattdessen
hätte machen sollen: Durch klare Absprachen für jeden einzelnen Fall.
Durch ein ausgewogenes Verhältnis von Leistung und Gegenleistung.

Sonst haben wir alle vier Jahre einen neuen Kurswechsel. Und der
kürzeste Weg zu einem Ziel ist gewiß nicht der Zick-Zack-Kurs!

Wer in seiner Region oder mit seinen parteilichen Bezugspersonen also
weiterhin Gründe sieht, mit der NPD zusammenzuarbeiten oder sie zu
unterstützen, soll das ruhig tun. Entscheidend ist meiner Meinung nach
nur, sich dabei nicht ausnutzen zu lassen. Es kann nicht angehen, daß
die Aktivisten die Arbeit tun und andere die Erfolge allein für sich in
Anspruch nehmen. Es kann auch nicht angehen, daß die – wenngleich nicht
überwältigend großen – politischen Möglichkeiten einer
Minderheitenfraktion in einem Landesparlament allein der Partei zugute
kommen und parteifreie Kreis davon nichts haben außer vielleicht die
eher abstrakte Genugtuung, daß die etablierten Parteien sich vier oder
fünf Jahre über die Anwesenheit von NPD-Abgeordneten ärgern. Wenn schon
Parteichef Voigt in einer internen e-mail seinem sächsischen
Fraktionschef Holger Apfel vorwirft, daß er und seine Abgeordneten sich
kaum noch außerhalb ihrer Büros bewegen, läuft was schief. Und wenn die
NPD nicht imstande ist, dem selbst entgegenzusteuern, dann ist es an
parteifreien Bündnispartnern und Unterstützern, den Preis für ihre
Unterstützung festzulegen. Rein geschäftlich.

Alles andere war und ist Augenwischerei.

Hamburg, den 2. Januar 2009
Christian Worch

Den wulffschen Beitrag gibt es hier:
http://de.altermedia.info/general/volksfront-ade-010109_21004.html#more-21004


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