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Aachen, 8.11.2008

Nachricht von:
Christian Worch

Aachen, 8. November 2008


Im Vorfeld der Veranstaltung gab es ein wechselvolles juristisches
Tauziehen. Am 24. Oktober kündigte Polizeipräsident Klaus Oelze ein
Verbot der Veranstaltung an. Dieses kam dann am 29. Oktober – vielleicht
wollte man damit, daß man den Veranstalter ein paar Tage warten ließ,
einfach die für die Anfechtung verfügbare Zeit verkürzen. Am 4. November
entschied das Verwaltungsgericht Aachen auf die Klage und
Verfügungsklage des Veranstalters hin, daß die Veranstaltung stattfinden
könne; jedoch wurde die Maßgabe erlassen, daß Axel Reitz sie weder
leiten noch auf ihr sprechen dürfe. Wohl wegen Überarbeitung und
Zeitmangel des von Axel Reitz beauftragten Anwalts unterblieb leider die
weitere Anfechtung dieser gerichtlichen Maßnahme, was ich aus
grundsätzlichen Erwägungen heraus sehr bedauerlich finde. Das
Polizeipräsidium allerdings demonstrierte, daß es mehr Personal hat und
mithin Überarbeitung und Zeitmangel dort nicht so die große Rolle
spielen. Es legte eine Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht ein.
Außerdem erließ es dann am Freitagvormittag noch die Auflage, daß die
Veranstaltung nur rein stationär und nicht als Umzug stattfinden dürfe.

Auch gegen die letztgenannte Auflage konnte der Anwalt des Veranstalters
leider keine gerichtliche Entscheidung mehr herbeiführen. Dafür war
seine Konzentration auf das Hauptthema erfolgreich. Zwar gab – wie zu
erwarten war – das Oberverwaltungsgericht am Freitagnachmittag dem
Polizeipräsidium recht, aber am späteren Freitagabend, so gegen 21.30
Uhr, kam die Nachricht durch, daß das Bundesverfassungsgericht per
Einstweiliger Anordnung die Durchführung der Veranstaltung ermöglicht hatte.

Also trafen wir uns am 8. November an einer Seite des Aachener
Hauptbahnhofs, die die Zeitungen als „im Schatten liegende und windige
Ecke“ beschrieben. Wer will dabei böse Absicht vermuten? Nein, so was
kann man nicht unterstellen, denn die Gegendemonstration auf der anderen
Seite des Bahnhofsvorplatzes lag genauso im Schatten. Nur ob es dort
windig war, konnten wir nicht feststellen, weil die übliche
Polizeiabsperrung Besuche von hüben nach drüben oder umgekehrt unmöglich
machte. Schade eigentlich.

Auf der Veranstaltung sprachen in chronologischer Reihenfolge: Meine
Wenigkeit als der Versammlungsleiter, da Axel Reitz ja durch
gerichtliche Verfügung die Leitung untersagt war; Claus Cremer,
NPD-Landesvorsitzender von Nordrhein-Westfalen; Sven Skoda, parteifreier
Aktivist; Ingo Haller, NPD-Kreisvorsitzender des nahegelegenen Düren,
sowie Paul Breuer, parteifreier Aktivist. Paul ist erst unlängst nach
etwa zweieinhalb Jahren Haft entlassen worden; ich denke fast, es war
seine erste öffentliche Rede nach der Entlassung. Jedenfalls freuten
sich alle, die ihn kannten, sehr darüber, ihn wieder in unserer Mitte zu
sehen. Axel Reitz als der Anmelder und Veranstalter war natürlich auch
anwesend, blieb aber kraft gerichtlichen Maulkorbes stumm.

Die Teilnehmerzahl wurde von der Polizei mit 108 festgestellt.
Angemeldet gewesen waren 150. Zweifellos wäre die angemeldete Zahl auch
erreicht worden, wenn nicht die Nachricht von der Aufhebung des Verbotes
erst am späten Freitagabend gekommen wäre und demzufolge nicht mehr alle
interessierten Kameradinnen und Kameraden erreicht hat.

Die Gegendemonstranten am Bahnhof waren knapp mehr als wir, zwischen 100
und vielleicht 150. Allerdings gab es insgesamt sechs angemeldete
Gegendemonstrationen, an denen nach Angaben der Polizei insgesamt über
2.000 Personen teilgenommen haben sollen.

http://www.polizei-nrw.de/presseportal/behoerden/aachen/article/meldung-081108-164327-07-386.html

Nach dem Ende der Veranstaltung kurz vor 15.oo Uhr nahm ein Großteil der
Versammlungsteilnehmer noch an einer spontanen Demonstration durch das
ungefähr auf halber Strecke zwischen Aachen und Köln gelegene Düren
teil. Das Aktionsbüro Nord berichtet darüber:

http://www.aktionsbuero.netzwerknord.com/


(Zitat Beginn)
Da man aber eigentlich nicht nach Aachen gefahren war, um im Schatten
des Bahnhofs die Willkür einiger Schreibtischtäter zu genießen und
danach dankbar für den schlechten Service wieder nach Hause zu fahren,
entschlossen sich über 80 Aktivisten aus dem Rheinland und dem
Ruhrgebiet ihren Unmut noch auf die Straße zu tragen.

Auf der Rückfahrt wurde spontan ein Stopp in der Stadt Düren bei Aachen
eingelegt, um auf die staatliche Repression und die Willkür entsprechend
zu reagieren. Die Polizeibeamten, die wohl mitgeschickt wurden um die
Rückreise der Kameraden zu überwachen, trauten ihren Augen nicht als
direkt vor dem Dürener Bahnhof Transparente entrollt wurden und sich ein
Demonstrationszug lautstark unter den Parolen "Hier marschiert der
nationale Widerstand!" und "Nationaler Sozialismus - Jetzt!" seinen Weg
in die Dürener Innenstadt zu bahnen begann. Etwa eine halbe Stunde zog
die Demonstration ungestört durch die Dürener Innenstadt und machte
ihrem Unmut lautstark Luft!

Am Bahnhof löste sich die bis zum Abschluss friedlich verlaufe
Demonstration auf. Die anwesenden Beamten sollen im Nachhinein noch
versucht haben einige Leute zu kontrollieren, wohl um nicht mit völlig
leeren Händen vor ihren Vorgesetzten treten zu müssen. Ein schwacher
Trost für den verantwortlichen Polizeiführer, dem damit heute deutlich
vor Augen geführt worden ist, daß Repression nur eine Einladung zur
Aktion ist.
(Zitat Ende)

Was den Polizeipräsidenten betrifft, der mit seinem rechtswidrigen
Verbot eine erfolgreiche Anfechtung der Auflage unmöglich gemacht hat,
so habe ich die Staatsanwaltschaft gebeten, zu prüfen, ob darin
Rechtsbeugung im Sinne der einschlägigen Strafvorschrift zu sehen ist.
Es wäre übrigens nicht das erste Mal, daß die Staatsanwaltschaft Aachen
gegen Polizeipräsident Klaus Oelze wegen Rechtsbeugung ermittelt. Ein
solches Verfahren stellten sie im Januar 2007 ein mit der Begründung, er
habe damals – in einer Verkehrsangelegenheit – im Rahmen seines
Ermessensspielraums gehandelt und mithin nicht strafbar. In diesem Fall
aber deutet die vorherige öffentliche Äußerung des Polizeipräsidenten
eher dagegen, daß er Ermessen überhaupt ausgeübt hat.... Es wird mal
interessant, wie die Staatsanwaltschaft sich selbst und den
Polizeipräsidenten da herauswinden möchte... Für Leute, die so was
interessiert, wird das Schreiben abschließend dokumentiert:

Staatsanwaltschaft bei dem
Landgericht Aachen
Adalbertsteinweg 92
52070 Aachen

Hamburg, 9. November 2008



Vorab Telefax: 0241 / 9425 – 83149




Sehr geehrte Damen und Herren!

Hiermit bitte ich höflich zu überprüfen, ob der Polizeipräsident von
Aachen, Herr Klaus Oelze, Dienstanschrift Polizeipräsidium,
Hubert-Wienen-Straße 25 in Aachen, möglicherweise ein Delikt gem. § 339
StGB (Rechtsbeugung) begangen hat.

Sachverhalt:

Mit Datum vom 16. Oktober meldete Herr Axel Reitz eine öffentliche
Kundgebung mit Umzug in Aachen an. Unter dem Datum des 24. Oktober
erschien auf der Internetseite des Polizeipräsidiums Aachen eine
Pressemeldung, ausweislich derer der oben genannte Herr Oelze bekundet
hat, er will und werde alles rechtlich in seiner Mach stehende
unternehmen, diesen Aufzug zu verhindern. Am 29. Oktober erließ das PP
Aachen eine Verbotsverfügung gegen die von Herrn Reitz angemeldete
Versammlung. Am 4. November stellte das Verwaltungsgericht Aachen zum
dortigen Aktenzeichen 6 L 478 / 08 die aufschiebende Wirkung der gegen
dies Verfügung eingelegte Klage überwiegend wieder her. Hiergegen legte
das Polizeipräsidium Aachen Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht des
Landes Nordrhein-Westfalen in Münster ein. (Datum der Beschwedeeinlegung
hier nicht bekannt.) Über die Beschwerde entschied das OVG des Landes
Nordrhein-Westfalen am Nachmittag des 7. November in der Weise, daß es
unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Aachen die
aufschiebende Wirkung der Klage wieder aufhob; dortiges Geschäftszeichen
nicht bekannt. Ein hiergegen gerichteter Antrag auf Erlaß einer
Einstweiligen Anordnung gem. § 32 BverfGG zum Bundesverfassungsgericht
war hingegen am Abend des 7. November erfolgreich. (Dortiges
Geschäftszeichen zur Zeit nicht bekannt.)

Das Verbot vom 29. Oktober, das bereits fünf Tage vorher öffentlich
angekündigt worden war, hat sich letztlich also im summarischen
Verfahren als rechtswidrig erwiesen; es besteht kein Zweifel daran, daß
es sich auch im regulären Verfahren als rechtswidrig erweisen wird.

Damit kann schon jetzt – vor Abschluß des regulären Verfahrens oder vor
Ergehen einer Unterwerfungserklärung des beklagen Polizeipräsidiums
Aachen – die Rechtswidrigkeit des dortigen Handelns als evident
angesehen werden.

Verantwortlich hierfür ist ausweislich seiner öffentlichen Äußerung vom
24. Oktober letztlich der Polizeipräsident, Herr Oelze, in Person. Denn
unabhängig von der Frage, wer als sein Erfüllungsgehilfe das Verbot
unterzeichnet hat, kann die Veranlassung durch Herrn Oelze als evident
angesehen werden.

Somit ist zu prüfen, ob das rechtswidrige Verhalten, das offenkundig
letztlich auf Herrn Oelze zurückgeht, fahrlässig oder vorsätzlich war;
im letztgenannten Falle müßte vom Vorliegen eines Delikts i.S.d. § 339
StGB, nämlich Rechtsbeugung, ausgegangen werden.

Die Entscheidung, eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel gem.
§ 15 Abs. 1 – erste Alternative – Versammlungsgesetz zu verbieten, ist
eine Ermessensentscheidung der zuständigen Behörde. Der Gesetzgeber hat
ausdrücklich eine Ermessensentscheidung verlangt, weil die Formulierung
im Gesetz lautet „... kann die Versammlung oder den Aufzug
verbieten....“, also eine sogenannte „Kann-Bestimmung“.

Die vorherige öffentliche Ankündigung, alles in seiner Macht stehende
tun zu wollen, um diese zu verhindern, spricht evident gegen
pflichtgemäßes Ermessen. Damit spricht diese Entscheidung gegen
Fahrlässigkeit.

Dies gilt um so mehr nach Erlaß des Beschlusses des Fachgerichts der
ersten Instanz, des VG Aachen, vom 4. November. Denn die Entscheidung,
gegen diesen Beschwerde zum OVG als der zweiten Fachgerichtsinstanz
einzulegen, war die Fortführung bzw. Aufrechterhaltung der
ursprünglichen Entscheidung, nämlich ein behördliches Verbot gem. § 15
Abs. 1 – erste Alternative – Versammlungsgesetz zu erlassen. Spätestens
nach Kenntnisnahme des Beschlusses des VG Aachen vom 4. November kann
nicht mehr von Fahrlässigkeit ausgegangen werden, sondern muß im Lichte
der vorherigen öffentlichen Äußerung vom 24. Oktober Vorsatz angenommen
werden.

Ein Auszug aus der Internetseite Polizei NRD wird als Anlage beigefügt;
die Beschaffung des behördlichen Verbotes und der fachgerichtlichen
Entscheidungen wie auch der höchstrichterlichen Entscheidung bleibt der
Ermittlungsbehörde überlassen.

Ich bitte höflich, mich vom Gang dieser Angelegenheit in Kenntnis zu halten.

Mit freundlichem Gruß


Christian Worch


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