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Manöverziel erreicht!

Nachricht von:
Christian Worch

Hamburg, den 7. September 2008

MANÖVERZIEL ERREICHT!

Der wohl älteste Teilnehmer und zugleich der mit der persönlich größten
militärischen Erfahrung wird Herbert Schweiger gewesen sein: Als
Kriegsfreiwilliger der Waffen-SS und letztlich im Range eines
Untersturmführers (Leutnant) war er vom April 1941 bis zur Niederlage
1945 im Einsatz. Sein Fazit der vierten Demonstration zum Antikriegstag
in Dortmund am 6. September: „Damals beim Militär hätten wir gesagt:
Manöverziel erreicht!“

Bestimmt können sich über diese lobenden Worte die ganz überwiegend
jüngeren Teilnehmer und vor allem die Organisatoren freuen. Die
Organisatoren hatten allerdings in der Tat noch mehr zu tun als sonst im
Vorfeld beziehungsweise bei der Durchführung einer größeren
Demonstration. Zusätzlich zu den sonstigen Aufgaben kam noch hinzu die
Koordination und Betreuung ausländischer Kameradengruppen. Diese waren
aus insgesamt sechs europäischen Nationen angereist: Belgien, Bulgarien,
England, Frankreich, die Niederlande und Tschechien. Zu den insgesamt
acht Rednern auf der Auftaktkundgebung und den zwei Zwischenkundgebungen
gehörten Kameraden aus Bulgarien, England, den Niederlanden und
Tschechien. Damit herrschte zwischen den nicht deutschsprachigen Rednern
und den deutschsprachigen ein Verhältnis von genau eins zu eins. (Wobei
unser holländischer Kamerad lobend zu erwähnen ist, weil er seine
Ansprache in deutsch hielt; wegen der großen Ähnlichkeit beider
germanischer Sprachen fiel ihm dies naturgemäß relativ leicht.)
Berücksichtigt man, daß Herbert Schweiger und Gottfried Küssel als
Bürger der Republik Österreich de jure auch Ausländer sind, obwohl sie
dem deutschen Volke angehören, wäre insofern gesehen der Anteil
tatsächlich oder pro-forma ausländischer Redner gegenüber den
(bundes-)deutschen sogar drei zu eins gewesen. Die weiteren Redner waren
Veranstaltungsleiter Dennis Giemsch und meine Wenigkeit.

Auch die Teilnehmerzahl überstieg die Erwartungen sowohl der
Organisatoren als auch der Polizei. Bei der Auftaktkundgebung ging die
Polizei von cirka tausend aus. Da gedrängt stehende Menschenmengen
leicht unterschätzt werden, war ich geneigt, diese Annahme zu teilen.
Bei einem Engpaß der Wegstrecke ergab sich jedoch gute Gelegenheit für
eine genauere Zählung, und deren Ergebnis war 1.340 Personen. Die
Polizei ging zu dem Zeitpunkt von 1.100 aus, was eher eine Schätzung als
auch nur eine leidlich genaue Zählung gewesen sein dürfte.

Etwa vierzig Minuten nach dem vorgesehenen Zeitpunkt setzte sich die
Demonstration vom Ort der Auftaktkundgebung am Stadthaus, wo Dennis
Giemsch, Herbert Schweiger und Gottfried Küssel gesprochen hatten, in
Bewegung. Die Verzögerung war im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß
die Polizei bei der Sicherung der Wegstrecke besonders gründlich sein
wollte. Zuvor beziehungsweise zeitgleich hatte es mehrere
linksgerichtete Gegenkundgebungen gegeben. Teilnehmer der einen
versuchten mit mehreren hundert Mann, in die Nähe unserer Kundgebung
vorzudringen, was ihnen vorher vollziehbar polizeilich untersagt worden
war. Die Polizei war imstande, diese Vorstöße zu unterbinden; gegen die
Verantwortlichen wird es wahrscheinlich Verfahren wegen Verstoß gegen
versammlungsrechtliche Auflagen geben.

Auf dem ersten Teil der Wegstrecke war von politischen Gegnern nichts
wahrzunehmen. Erst kurz vor der ersten Zwischenkundgebung beglückten sie
uns durch ihre Meinungsäußerung; an einer Stelle vier vermutlich noch
minderjährige Mädchen, die aus dem Fenster eines Hauses eine
Israel-Fahne hängten, und an einer etwas entfernteren Kreuzung eine
Ansammlung von vielleicht vierzig oder fünfzig eher gutmenschlich als
radikal links aussehende Leute, die sich mit Trillerpfeifen und Parolen
bemerkbar zu machen versuchten. Überwiegend blieb es bei dem Versuch,
weil unsere Demonstration allein aus zahlenmäßigen Gründen deutlich
lautstärker war.

Auf der ersten Zwischenkundgebung sprachen der englische, der
bulgarische und der tschechische Kamerad. Ihre Reden wurden jeweils
übersetzt.

Auf der zweiten Zwischenkundgebung sprachen der niederländische Kamerad
und meine Wenigkeit.

Bis dahin war das Verhalten der Polizei überwiegend korrekt
beziehungsweise kooperativ. Schikanöse Behandlung von Teilnehmern
scheint es eher nicht aufgrund einer „Weisung von oben“ gegeben zu
haben, sondern wohl eher durch einzelne übereifrige Beamte. Unangenehm
aufgefallen ist, daß Polizeibeamte ältere Teilnehme, die sich hinten im
Zug befangen, aufforderten, ihren Schritt zu beschleunigen und ihnen,
als sie dazu nicht imstande oder willens waren, teilweise von hinten in
die Hacken traten. Man scheint bei der nordrhein-westfälischen Polizei
noch nicht gelernt zu haben, daß die Wahl des Tempos eines
Demonstrationszuges unter anderem auch unter das Selbstbestimmungsrecht
des Veranstalters über den Ablauf seiner Veranstaltung fällt. Andere
Teilnehmer wurden zeitweilig gehindert, den Zug zu verlassen, um eine
Gelegenheit zum Austreten zu suchen. Einzelne Polizeibeamte scheinen
nicht zu wissen, daß im Lichte des Grundrechts aus Artikel 11
Grundgesetz (Freizügigkeit) es jedem Teilnehmer freisteht, eine
Versammlung zu verlassen und wieder zu ihr zurückzukehren, wann immer es
ihm beliebt. Niedlich war ein Polizeibeamter, der mich an dem erwähnten
Engpaß sogar unter eigenem körperlichen Einsatz an der von mir
angestellten Zählung hindern wollte, indem er nach erfolgloser
Aufforderung versuchte, mich in den Zug hineinzudrücken. Die Zählung
konnte er damit nicht beeinflussen, weil der ganze Zug bis auf eine
letzte Gruppe von vierzig Teilnehmern inzwischen an mir vorbeigezogen war.

Dies alles waren also eher Kleinigkeiten, wie sie durch Fehlverhalten
vornehmlich einzelner Polizisten wohl bei jeder größeren Demonstration
vorkommen und von der ganz überwiegenden Masse der Teilnehmer nicht
einmal wahrgenommen werden.

Repressiver aber wurde es ca. 200 Meter vor dem angemeldeten und
polizeilich bestätigten Endpunkt der Demonstration. Aus Gründen, die
bisher wohl niemand weiß, sperrte die Polizei dort die Straße.
Vielleicht war es einfach mangelnde Ortskenntnis; vielleicht wollte man
auch dem Ende zu mal ein wenig die Muskeln spielen lassen. Nachdem eine
Intervention des Versammlungsleiters zu keinem Erfolg führte und die vor
allem aus radikalen Kräften bestehende Spitze des Zuges lange genug
gewartet hatte, führte diese Repression zu einer mehr oder minder
sportlichen Drängelei, wobei die Polizei sich sehr bemühte, sich von den
Teilnehmern nicht an Sportlichkeit überbieten zu lassen. Dabei kam es
letztlich auch zu kleineren Auseinandersetzungen; auf der einen Seite
flogen Böller und Flaschen, auf der anderen Seite wurde von
staatseigenem Pfefferspray Gebrauch gemacht. Die Polizei berichtet von
16 Beamtinnen und Beamten, die durch Flaschenwürfe oder Böller verletzt
worden seien. Über die genaue Zahl verletzter Demonstrationsteilnehmer
ist nichts bekannt; ich persönlich habe etwa ein halbes Dutzend
beobachtet, jedoch mögen es vielleicht auch mehr gewesen sein, weil man
ja seine Augen nicht überall haben kann. Schwerer wiegende Verletzungen,
die eine krankenhausärztliche Behandlung erforderlich gemacht hätten,
scheint es auf keiner Seite gegeben zu haben. Somit sprach dannauch der
Polizeibericht von einem trotz einiger Zwischenfälle „ruhigen Verlauf“.

Die Gegendemonstrationen sollen nach Polizeiangaben 3.000 Teilnehmer
gehabt haben. Vermutlich sind dabei aber sehr viele mehrfach gezählt
worden; denn etliche hundert von ihnen zogen mehr oder minder
vagabundierend von jeweils einer zur nächsten der mehreren angemeldeten
Gegenveranstaltungen. Da die mehr gutmenschlich als linksradikal
ausgelegte größte dieser Gegenveranstaltungen 1.500 Teilnehmer gehabt
haben soll, ist es eine wohl realistische Schätzung, daß es insgesamt
nicht mehr als 2.000 Meinungsgegner gewesen sein dürften, die auf der
Straße gewesen sind, und damit gerade mal etwa um die Hälfte mehr als
wir. Ein Ergebnis, das man natürlich auch unter dem Aspekt bewerten muß,
daß diese üblichen „gesellschaftlich relevanten Gruppen“ natürlich über
eine Menge Geld und Infrastruktur verfügen, die ihnen die Mobilisierung
erleichtern. So gesehen, waren sie in Wirklichkeit nicht stärker als wir.

Fazit:

Der Antikriegstag in Dortmund hat sich mit dieser vierten Veranstaltung
in Folge wohl endgültig als ein fester Termin auf der nationalen Agenda
etabliert. Die kontinuierliche Aufbauarbeit zeitigte erfreuliche
Wirkung. An Organisation und Ablauf gab es nicht ernsthaft etwas
auszusetzen. Vereinzelt beklagten Teilnehmer die lange Dauer. Dies lag
außer der erwähnten relativ kurzen Verzögerung beim Abmarsch an der
langen Wegstrecke (fast sechs Kilometer) und auch daran, daß Reden, die
übersetzt werden, natürlich doppelt so lange dauern, wie wenn eine Rede
nicht übersetzt werden muß. Beifällig wurde aufgenommen, daß die
Organisatoren eine Vielzahl von Versammlungshilfsmitteln vorgehalten
haben; es mögen fast 100 schwarz-weiß-rote Fahnen und nahezu ebensoviele
Trageschilder mit Plakaten gewesen sein. Vorteilhaft war auch, daß das
Wetter angenehm war; mild und trocken. Letztlich also eine rundum
erfolgreiche und befriedigende Aktion.

Hamburg, den 7. September 2008
Christian Worch


Polizeibericht zu finden hier:
http://www.presseportal.de/polizeipresse/pm/4971/1260025/polizei_dortmund

Kopie Polizeibericht:
06.09.2008 | 21:17 Uhr
POL-DO: Demonstrationsgeschehen in Dortmund

Dortmund (ots) - Lfd. Nr.: 1309

" Die Demonstrationsveranstaltungen in der Dortmunder Innenstadt
verliefen aus Sicht der Polizei, trotz einiger Zwischenfälle, ruhig. Das
Einsatzkonzept und der starke Kräfteansatz haben entscheidend zum Erfolg
beigetragen" sagte Einsatzleiter Leitender Polizeidirektor Dieter Keil
nach dem Einsatzende am heutigen Samstag, den 06.09.2008.

Ab 10.00 Uhr sammelten sich die Teilnehmer der ersten Versammlung mit
anschließendem Aufmarsch über den nördlichen Wallring unterhalb der
Freitreppe an der Katharinenstraße. Mit ca. 800 Teilnehmern setzte sich
der Aufzug gegen 10.30 Uhr in Bewegung und endete, wie vorgesehen, gegen
12.00 Uhr am Platz der alten Synagoge. Anschließend entfernte sich ein
Großteil der Versammlungsteilnehmer in Richtung Innenstadt.

Am Platz der alten Synagoge begann nun die gemeinsame Versammlung des
bürgerlichen Spektrums an der insgesamt 1.500 Personen teilnahmen. Herr
Anders-Hoepgen beendete die Versammlung um 13.20 Uhr. Im Anschluss
erging durch eine andere Person der Aufruf sich nun gemeinsam- entgegen
einer Verbotsverfügung der Polizei- in Richtung Heiliger Weg /
Südbahnhof zu den "Stolpersteinen" zu begeben.

An dieser verbotenen Versammlung, nahmen rund 700 Personen teil. Die
Polizei musste mehrfach mit Absperrungsmaßnahmen versammlungsrechtliche
Verfügungen durchsetzen. Gegen 14.30 Uhr wurde die Versammlung für
beendet erklärt. Die Polizei prüft zurzeit rechtliche Schritte wegen
Missachtung der Verbotsverfügung des PP Dortmund.

Um 13.00 Uhr hatten sich bereits ca. 600 Teilnehmer der Demonstration
"Rechts" im Bereich Südbad gesammelt. Bis zum Beginn der Veranstaltung
wuchs die Zahl auf ca. 1100 Personen an. Der Aufzug hat sich gegen 14.50
Uhr in Bewegung gesetzt. Die Versammlung wurde gegen 19.15 Uhr am
S-Bahnhof Körne für beendet erklärt. Auf eine Abschlusskundgebung wurde
durch die Rechten verzichtet.

Auf dem Marschweg der Rechten Demonstration kam es zu Zwischenfällen,
die ein polizeiliches Einschreiten erforderlich machten. In mehreren
Fällen wurden aus dem Demonstrationszug heraus Pyrotechnik gezündet und
Flaschen geworfen, durch die insgesamt 16 Polizeibeamte verletzt wurden.
Die Abmarschphase verlief ohne weitere Vorkommnisse.

Im Rahmen der Versammlungen kam es zu sechs freiheitsentziehenden
Maßnahmen aus dem Bereich der Versammlung "Rechts" und 47 aus dem
Bereich der Versammlungen "Links".

Die Polizei hat mehrere Strafverfahren wegen Körperverletzung, Verdacht
Landfriedenbruch, Verstöße gegen das Sprengstoff- und Versammlungsgesetz
vorgelegt.

Auf Grund des hohen Aggressionspotenzials innerhalb des Aufzuges
"rechts" aber auch wegen des permanenten Versuches aus Kreisen
gewaltbereiter Gegendemonstranten mussten die Absperrungen um den
Marschweg verstärkt werden. Dabei konnte ein Zugang von berechtigten
Personen an den unmittelbaren Demonstrationsweg aus Gefahren abwehrenden
Gründen nicht gestattet werden.

"Für mich ist einwichtiges Einsatzziel, Journalisten eine ungehinderte
Pressearbeit zu ermöglichen. Die Abwägung zwischen dem Schutz der
Journalisten und der möglichst nahen Berichterstattung kann im
Einzelfall dazu führen, dass es zu kurzfristigen zeitlichen
Verzögerungen kommen kann, welche ich zu entschuldigen bitte", sagte der
Polizeieinsatzleiter, Leitender Polizeidirektor Dieter Keil.

Polizeipräsidium Dortmund
Markgrafenstr.102
44139 Dortmund
Peter Schulz
Tel: 0231 132 1024

 


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