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Wahlkampf Hamburg

Nachricht von:
Christian Worch


Hamburg, den 25. Februar 2008


Wahlkampf Hamburg:

Wahlkämpfe mit der NPD kenne ich; das habe ich zwar nicht endlos oft,
aber schon ein paarmal gemacht, zuletzt erst bis zum 27. Januar in
Niedersachsen. Wahlkampf mit der DVU war neu für mich. Es war
interessant. Um es mit einem kurzen Satz zu sagen: Anders. Nicht besser,
auch nicht schlechter, sondern einfach anders.

Auffällig war, was über die DVU eigentlich jeder weiß: Daß ihre
Strukturen vor Ort schwach sind. Selbst in kleinen Westländern wie dem
Stadtstaat Hamburg ist die NPD da personell bzw. von der Basis her
besser aufgestellt. Ohne den gewissermaßen zufällig bei der DVU
gelandeten Spitzenkandidaten Matthias Faust hätte die Partei
möglicherweise noch nicht einmal ein in der Öffentlichkeit vorzeigbares
Gesicht gehabt.

Dafür hat sie Geld. Geld bewegt zwar nicht alles, aber recht viel. Es
war eien DVU-typische Materialschlacht. Kleine Anekdote am Rand: Drei
Tage vor der Wahl waren wir bei Otto Dörner, einem Containeraufsteller,
um zu prüfen, ob private Entsorgung der Plakate preiswerter ist als über
die Receyclinghöfe. Als der Mitarbeiter hörte, daß wir etliche
Kubikmeter Stellschilder zu entsorgen hätten, fragte er: „Für welche
Partei?“ Wir antworteten: „Die DVU.“ Da grinste er und sagte: „Ihr seid
doch sowieso die Plakatweltmeister!“

Die ca. 20.000 Plakatschilder im Format Din A 0 (also doppelt so groß
wie das früher von der DVU bzw. anch wie vor von der NPD verwendete
Format Din A 1) sind also im Stadtbild wahrgenommen worden. Natürlich
wurde sehr viel „abgeholzt“. Hamburg ist das meines Wissens einzige
Bundesland, in dem die Plakatschilder nicht aufgehängt werden dürfen,
sondern am Boden stehen müssen. Das macht Zerstörungen für feindliche
Kräfte natürlich leichter. Grob geschätzt würde ich sagen, daß die
meisten Stellschilder zwei bis maximal drei Tage gestanden haben. In der
„heißen Phase“ des Wahlkampfes, den letzten vier Wochen vor dem
Wahltermin, wurden täglich nachezu 1.000 Stück aufgestellt; trotzdem
dürften insgesamt gleichzeitig nicht mehr als vielleicht 2.000 oder so
sichtbar gewesen sein. Das relativiert die Gesamtmenge natürlich. Zumal
in diesem Hamburger Wahlkampf auch die etablierten Parteien erheblich
mehr Plakatschilder aufgestellt haben, als ich es von früheren
Wahlkämpfen her kenne. Teilweise war es schon schwierig, Stellen zu
finden, an denen man noch welche anbringen konnte.

Die Briefkastenverteilung ist in früheren Jahren von der Post gemacht
worden. Diese Möglichkeit entfällt inzwischen, weil die Post formal kein
Monopolbetrieb mehr ist und sich ihre Aufträge daher aussuchen kann.
Dank der Vertragsfreiheit wollte sie wohl von der DVU keinen Auftrag
annehmen. Daher wurde die Verteilung durch Kolonnen organisiert.
Insgesamt waren zwei verschiedene Flugblätter in einer Auflage von
jeweils 300.000 Stück gedruckt worden, also 600.000 Stück. Hamburg hat
etwa 600.000 Haushaltungen. Rein statistisch gesehen wäre somit jeder
Haushalt bzw. Briefkasten einmal bedient worden. Praktisch aber werden
Einzelhausgebiete weitgehendst ausgeklammert worden sein; in den
Siedlungen mit drei- oder viergeschossigen Wohnhäusern oder Hochhäusern
werden dafür die verschiedenen Handzettel zweimal verteilt worden sein.

30.000 DVDs standen zur Verfügung und wurden größtenteils vor
Berufsschulen und Gymnasien verteilt. Die Werbe-DVD der DVU war mit 5
Minuten Laufzeit deutlich kürzer als die von der NPD in Niedersachsen
verwendete, aber sie war gleichfalls sehr professionell gemacht.

Der Hamburger Fernsehsender Hamburg 1 akzeptierte Schaltungen von
Werbefilmen in nahezu unbschränktem Umfang. Soweit ich weiß, ist der
Spot demzufolge 17-mal ausgestrahlt worden.

Empörung bei den Linken löste der Umstand aus, daß das als gemäßigt
links geltende Stadtmagazin OXMOX eine ganzseitige Anzeige der DVU
schaltete. Die Redaktion redete sich auf die Kritik hin damit heraus,
daß sie gar nicht gewußt habe, wird ei DVU sei... Da das die Kritik
nicht zum Verstummen brachte, reagierten sie, indem sie erklärten, aus
allen noch erreichbaren Exemplaren die „anstößige“ Seite entfernt zu
haben. Die Rechtsabteilung der DVU wird sich überlegen können, ob unter
diesen Umständen nicht eine saftige Kürzung der Rechnung fällig ist....
OXMOX hat eine Auflage von immerhin 50.000 Stück. Wieviele davon mit und
wieviele ohne die Anzeige in Umlauf gekommen sind, weiß niemand.

Eindeutig ein Höhepunkt war die Veranstaltung im Congreß-Centrum Hamburg
genau eine Woche vor dem Wahltermin.

Schon die gerichtliche Durchsetzung wurde in den Medien natürlich
berichtet und kommentiert; das war sehr vergleichbar der
Wahlkampf-Auftaktkundgebung der NPD am 15. September 2007 im
Hannoverschen Congreß-Centrum.

Auch die Dimension der Veranstaltung war beinahe vergleichbar; während
die NPD meiner Schätzung nach gut über 500 bis knapp 600 Teilnehmer nach
Hannover mobilisieren konnte, waren es bei der DVU ein wenig mehr als
400 bis maximal 450. Allerdings war offensichtlich, daß das Publikum
sich anders zusammengesetzt hat. Während bei der NPD-Kundgebung jüngere
Menschen eindeutig überwogen, war es bei der DVU exakt umgekehrt.
Zeitweilig verlief die Veranstaltung ein wenig turbulent, weil man ab
14.oo Uhr „die Öffentlichkeit“ zugelassen hatte und eine Handvoll Linker
die Gelegenheit zur Störung nutzt. Fünf von ihnen wurden von den Ordnern
mit angemessenen Mitteln „einfacher Gewalt“ aus dem Saal entfernt. Die
Ordner – größtenteils aus parteifreien Zusammenhängen bzw. von der NPD
stammend – verhielten sich dabei so angemessen, daß die von der
DVU-Führung halb und halb befürchteten negativen Bilder ausblieben. Die
mediale Berichterstattung über die Veranstaltung war zwar nicht
freundlich, aber einen Grund zu offener Hetze fand die Hamburger Presse
nicht.

Von der organisatorischen und technischen Seite her verlief der
Wahlkampf also überwiegend gut.

Bei der verbreiteten Materialmenge muß man berücksichtigen, daß die DVU
insgesamt in Hamburg fast so viel verbreitet hat wie kurz vorher die NPD
in Niedersachsen, daß aber Niedersachsen rund fünfmal soviele Wähler hat
wie Hamburg; auf die Relation zwischen Material und Wählern bezogen,
hatte die DVU also etwa die vierfache Sättigung von dem, was die NPD im
Flächenstaat Niedersachsen erreicht hat.

Für mich unerwartet war, daß die Plakatmotive teilweise sogar
sozialkritische Ansätze hatten: Eines ging gegen Hartz IV, ein anderes
thematisierte Bundeswehreinsätze in Afghanistan, mit dem ausdrücklichen
Bemerken, daß das Geld dafür lieber für Deutsche ausgegeben werden solle.

Ebenso hatte der sehr rührige Spitzenkandidat Matthias Faust vor Ort
deutlich mehr freie Hand, als das in früheren Wahlkämpfen der eher
zentralistisch gelenkten DVU sonst der Fall war. Es gab in der „heißen
Phase“ des Wahlkampfes jedes Wochenende einen Informationsstand. Bis auf
einen verliefen sie ganz oder überwiwegend ungestört. Aus zweiter Hand
hörte ich, daß viele Bürger durchaus wohlwollend neutral oder gar
positiv reagiert hätten.

Trotzdem haben all die Bemühungen sich nicht in einem guten Wahlergebnis
niedergeschlagen; die DVU bekam 0,8 Prozent und schaffte damit nicht
einmal die sowohl psychologisch als auch für die
Wahlkampfkostenerstattung wichtige Schwelle von einem Prozent.

Die „halbrechte“ Konkurrenz des ehemaligen CDU-Justizsenators Roger
Kusch könnte dabei eine Rolle gepielt haben; Kuschs Partei schaffte 0,4
Prozent, und weil sie ihm Wahlkampf auch massiv mit der Forderung
„kriminelle Ausländer raus“ warb, könnte sie teilweise ein Potential
angesprochen haben, das sonst möglicherweise mit einem Kreuz bei der DVU
geliebäugelt hätte.

Verbunden mit der allgemein niedrigen Wahlbeteiligung von knapp über 60
Prozent kristallisiert sich weiter heraus, daß frühere Protestwähler
inzwischen eher zu Nichtwählern geworden sind, oder aber DIE LINKE als
Protestpartei wahrnehmen und zumindest in Westdeutschland weniger eine
rechts angesiedelte Partei. Hätten nicht die aus Sicht DER LINKEN sehr
negativen Äußerungen einer niedersächsischen Landtagsabgeordneten über
STASI und Mauer eine Rolle gespielt, hätte DIE LINKE in Hamburg
möglicherweise noch mehr als 6,5 Prozent mobilisieren können.

Hamburg, den 25. Februar 2008
Christian Worch


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