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Neumünster-Schikane

Nachricht von:
Christian Worch

Hamburg, den 24. November 2007

Neumünster-Schikane

Es gibt eine neue klandestine Langschrift für das Kürzel NS. (*zum Thema
„klandestin“ siehe Fußnote.) Zumindest in Norddeutschland wird dieses
Kürzel wohl künftig stehen für: „Neumünster-Schikanen“.

Schikanen gegen den „Club 88“ waren der Auslöser der heutigen
Demonstration. Und Schikanen erlebte auch die Demonstration selbst. Es
fing damit an, daß der Auflagenbescheid dafür erst am Freitagmorgen um
10.00 Uhr übermittelt wurde. Man darf davon ausgehen, daß dies geschah,
um die mögliche Zeit für eine Anfechtung der umfangreichen Auflagen
willkürlich zu kürzen. Es ging damit weiter, daß von 19 Ordnern, deren
Namen mehrere Stunden vor Versammlungsbeginn der Behörde übermittelt
worden waren, gerade einmal 5 als „behördlich zuverlässig und geeignet
für die Ausübung des Ordnerdienstes“ anerkannt wurden. Lustigerweise
sind die anderen 14, die als „ungeeignet“ bzw. „unzuverlässig“
bezeichnet wurden, allesamt nicht vorbestraft. In einem Fall ist mir
sogar bekannt, daß der Mann ein aktuelles polizeiliches Führungszeugnis
hat, natürlich ohne jede Eintragung. Warum er also „unzuverlässig“ und
damit „ungeeignet „ sein soll, wird mir die Behörde noch schriftlich
erklären müssen.

Der Höhepunkt der Schikanen war, daß die durch Auflagenbescheid ohnehin
schon um ein Stück gekürzte ursprüngliche Wegstrecke dann vor Ort wegen
einer angeblichen Straßenblockade noch einmal willkürlich gekürzt wurde.
Interessanterweise lehnte die Polizei es ab, zu erklären, es läge ein
polizeilicher Notstand vor. Das ist ein nettes Schwarzer-Peter-Spiel,
wobei den Schwarzen Peter jetzt die Stadt Neumünster als
Versammlungsbehörde hat, weil es für sie schwer werden wird, die
Wegstreckenänderung ohne polizeilichen Notstand zu begründen. Tja, da
sind die Herren Beamten gar nicht so erfreut, wenn plötzlich eine der
beiden Behörden sich in den Regen stellen muß; darüber mußten sie auch
erst einmal locker eine halbe Stunde unter sich beraten...

Mithin blieben von der ursprünglichen Wegstrecke nur ungefähr anderthalb
Kilometer. Wenngleich man dazu sagen muß, daß wir ja oftmals auch
Demonstrationen erlebt haben, die überhaupt nicht vom Fleck gekommen
sind oder erkennbar weniger weit als anderthalb Kilometer...

Die Gegendemonstranten sollen laut Medienbericht 600 gewesen sein.
Interessanterweise hatten mit der Bahn anreisende Kameraden vom Zug aus
einen hervorragenden Überblick über den Ort der gegnerischen Kundgebung;
mehrere voneinander unabhängige Schätzungen gehen davon aus, daß es 300
oder maximal 400 gewesen sein dürften. Die übliche Übertreibung also,
politisch gewollt, wie gehabt. Der Großteil dieser Gegendemonstranten
war übrigens politisches „Gutmenschentum“; die Mobilisierung radikaler
oder gar militanter Antifa dürfte bei allenfalls fünfzig Figuren gelegen
haben.

Interessant ist auch, daß nach polizeilicher Ansicht unsere
Demonstration 200 Teilnehmer hatte, während es nach meiner Grobzählung
zwischen 160 und 170 waren und spätere Medienberichte auch von 160
sprechen. Unüblich, daß die Polizei eine erkennbar höhere Zahl angibt
als ich selbst feststellen konnte. Der Grund dafür ist wohl auch in „NS“
zu sehen, in „Neumünster-Schikane“. Wahrscheinlich hofften sie, uns
dadurch zusätzlich schikanieren zu können, daß mehr Ordner benannt
werden mußten, weil sie die Gestellung von einem Ordner auf je 20
Teilnehmer verauflagt hatten. (Üblich ist übrigens eher zwischen einem
auf 30 bis 50, nur mal so nebenbei bemerkt.)

Daß allgemein bei den Polizisten eine eher gallige Stimmung
vorherrschte, mag damit zusammenhängen, daß am gleichen Abend nach
unserer Demonstration in Neumünster noch eine große Polizeishow war. So
eine richtige Gala-Show, nicht etwa die übliche martialische Show, wie
sie bei Demonstrationen üblich ist. Da paßte ihnen der Einsatz wohl gar
nicht. Tja, das ist halt Pech. Für Polizisetn gilt ebenso wie für
Pfadfinder: Allzeit bereit! Wenn sie das nicht können oder wollen, haben
sie ihren Job verfehlt und können sich nach einer geruhsamen Stellung in
der Freien Wirtschaft umschauen. Wenn sie da denn glücklicher werden....
(Was ich nicht glaube, denn ich habe genug Kameraden, die im privaten
Sicherheitsbereich arbeiten und mir ein Lied davon singen können, wie
schlecht die Bezahlung und wie hoch die Leistungsanforderungen sind....)

Abgesehen davon verlief die Versammlung ruhig und nur durch sehr
vereinzelte Zwischenrufer oder die üblichen geistlosen Sprechchöre
kleinerer Gruppen von Gegendemonstranten belebt. Als Redner traten auf:
Thorsten de Vries (Hamburg), Jörn Lemke (Schleswig-Holstein), Marcus
Winter (Niedersachsen) und meine Wenigkeit (Hamburg).

Aus dem Jahre 2000, als man versuchte, den „Club 88“ per Sofortvollzug
dicht zu machen, haben wir gelernt: Je öfter wir in Neunmünster
öffentlich aufgetreten sind, desto geringer wurden die Schikanen sowohl
gegen den „Club“ als auch gegen unsere Demonstrationen. Deshalb war die
unter vielen Teilnehmern vorherrschende Meinung, wir müssen uns bald mal
wieder eine Demonstration in Neumünster geben. Sicherlich nicht mehr
dieses Jahr, dazu ist der Zeitrahmen zu knapp, mit Vorweihnachtszeit und
dem in Niedersachsen in seine „heiße Phase“ laufenden Wahlkampf. Aber
Anfang nächsten Jahres kann man getrost mal darüber nachdenken. Dann
wollen wir mal sehen, was von „NS“ – in Langschrift: Neumünster-Schikane
– denn so übrig bleibt.

Christian Worch

Randnote:
„klandestin“ bedeutet einen Ausdruck, der nur innerhalb einer in sich
geschlossenen Bezugsgruppe, gewissermaßen einem „Klan“, verstanden wird,
für die breite Öffentlichkeit aber unverständlich ist. Klassisches
Beispiel eines angeblichen „klandestinen Kürzels“ ist „88“. Dies soll
nach behördlicher Mutmaßung für „Heil Hitler“ stehen, weil das H der
achte Buchstabe des Alphabets ist. Daß unter CB-Funkern „88“ für „Viele
liebe Grüße“ steht, scheint den Behörden weniger bekannt zu sein. Aber
vielleicht ändern die CB-Funker das gelegentlich, um sich nicht dem
Vorwurf der politischen Unkorrektheit auszusetzen. – Naja, und während
die breite Öffentlichkeit „NS“ für das Kürzel für „Nationalsozialismus“
hält, mag es in „klandestinen“ rechten Kreisen Norddeutschlands künftig
eben für „Neumünster-Schikane“ stehen.


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