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Zur Wahl in
Mecklenburg-Vorpommern
Nachricht von:
Christian Worch
Hamburg, den 17. September 2006
Nun hat die NPD es also geschafft, fast genau zwei Jahre nach Sachsen in
ein zweites Landesparlament einzuziehen. Zuerst einmal ist der Partei zu
glückwünschen.
Strategisch gesehen hat dieser Erfolg zwei wichtige Vorteile. Zunächst
einmal ist die unnatürliche Schieflage beseitigt, die entsteht, wenn
eine vergleichsweise kleine Bundespartei nur eine Fraktion in einem
Landtag hat, deren personelle und finanzielle Ausstattung aufgrund der
besonderen Segnungen des parlamentarischen Systems beinahe noch besser
ist als die des eigentlichen Parteiapparates. Und weiterhin sieht es so
aus, als ob NPD (und DVU) sich mittelfristig als mitteldeutsche
Regionalparteien etablieren könnten, um dann möglicherweise auch im
bevölkerungsreicheren Westen der BRD irgendwann einmal verläßlich über
die parlamentarische Fünf-Prozent-Hürde zu kommen.
Nach einem Wahlerfolg ist die Frage nach Fehlern und Versäumnissen im
Wahlkampf eine nahezu akademische. Geht man ihr trotzdem nach, gerät
man leicht in den Geruch des kritikasterischen Miesmachers oder
Pfennigfuchsers. Trotzdem sollte die Freude über ein solches Ergebnis
den Blick nicht trüben. Oder zumindest nicht länger, als bis die
leichte Trunkenheit der Wahlparty verflogen ist, was spätestens zur
Mittagszeit des nächsten Tages der Fall sein sollte.
Der Wahlkampf lief zunächst schleppend an, was nicht allein von mir
kritisiert wurde. Auch erste Plakatentwürfe, die – wohl durch eine
Indiskretion – über die bekannt NPD-kritische Internetquelle
Stoertebeker bzw. Altermedia die Öffentlichkeit erreichten, waren nicht
ganz das "Gelbe vom Ei“. Noch knapp drei Wochen vor der Wahl lag
die NPD in repräsentativen Umfragen ziemlich genau in Höhe ihres
Ergebnisses bei der Bundestagswahl, nämlich zwischen drei und vier
Prozent.
Dann kam die Trendwende. Die Umfragen schnellten auf sechs bis sieben
Prozent hoch; vereinzelt wurde wegen der vielen unentschlossenen Wähler
noch nicht einmal ein an Sachsen (9,2 Prozent) heranreichendes oder gar
zweistelliges Ergebnis ausgeschlossen.
Kurz vor dieser Trendwende brachten Angehörige etablierter Parteien
wieder einmal die Frage nach einer Neuauflage des NPD-Verbots ins Gespräch.
Oder, wie ein Kommentator der NPD es sprachlich sehr schön ausdrückte:
„Wedelten mit der Verbotskeule.“ Die inzwischen weniger nach einer
Keule aussieht als eher nach einer zusammengerollten Zeitung, mit der
man vielleicht den Familiendackel erschrecken kann, wenn er sich frech
auf die Couch legt statt ins Hundekörbchen, aber gewiß nicht mehr
wirklich oppositionelle Kreise.
Von dieser Schiene kam man zwar schnell wieder herunter, aber danach
setzte eine Medienkampagne gegen die NPD ein, die das, was man sonst aus
dieser Ecke kennt, krass steigerte. Entschuldigung für die
proletarische Audrucksweise: Jeder kleine Furz wurde zu einem Orkan
aufgebauscht, der nicht nur ausreichend wäre, New Orleans in
Wasserfluten versinken zu lassen, sondern die ganze BRD, die bekanntlich
im Schnitt ein wenig höher über Normal-Null liegt als die Südstaaten-Metropole.
Diese massive und vielfach hetzerische Berichterstattung hat die NPD
zweifellos erheblich gefördert. Vor allem in einem mitteldeutschen
Land, wo die Bewohner nicht nur gewöhnt sind, der etablierten gleich
herrschenden Politik zu mißtrauen, sondern auch den Medien.
Natürlich darf dabei nicht übersehen werden, daß die NPD vor allem in
der relativ kurzen „heißen Phase“ des Wahlkampfes offenbar sehr
massiv in der Öffentlichkeit vertreten war. Langsam anfangen und sich
dann immer mehr steigern ist auf jeden Fall eine bessere Politik als
stark anzufangen und dann immer schwächer zu werden.... Insofern lag
zumindest vom Gespür her Wahlkampfleiter Holger Apfel richtig, als er
meinte, die „heiße Phase“ des Wahlkampfes werde rausreißen, was im
Vorfeld vielleicht nicht befriedigend oder zu wenig intensiv gelaufen
sei.
Wie genau sich die Wechselwirkung zwischen einer zum Schluß immer stärkeren
Präsenz der NPD einerseits und der medialen Hetze andererseits
ausgewirkt hat, werden möglicherweise nicht einmal die professionellen
Soziologen mit den Apparaten ganzer deutscher Universitäten im
Einzelnen herausfinden können.
Es wird sich daher auch niemals völlig exakt sagen lassen, ob ein früherer
stärkerer Einsatz der NPD zu einem möglicherweise noch besseren
Ergebnis geführt hätte. Was ist denn schon gut oder schlecht?! Fünf-komma-Null
als Grenze für den Landtagseinzug einerseits und
Fünf-Komma-Sieben-Fünf als Grenze für die Bildung einer Fraktion
waren nötig; ob es darüber hinaus 6,5 oder 7,5 oder 8,5 oder gar ein
mit 9,5 über dem Sachsen-Ergebnis liegendes Wahlergebnis geworden wäre,
ist zweitrangig, solange die nächste maßgebliche psychologische
Schwelle, die der zweistelligen Zahl, nicht wirklich erreicht wird.
Nach dem bedauerlicherweise schwachen Abschneiden der DVU in der
Landtagswahl von Sachsen-Anhalt ist damit als gesichert anzusehen, daß
es in den „neuen Bundesländern“ ein Rechtspotential von mehr als fünf
Prozent gibt. Das ist ein erster wichtiger Schritt.
Der nächste Schritt ist, in diesen Ländern flächendeckend vertreten
zu sein, ob unter dem „Label“ der NPD oder dem der DVU, ist dabei
zweitrangig. Da richtet sich der Blick natürlich auf Thüringen. Und
damit wird nachträglich das etwas frühzeitige und möglicherweise
unabsichtliche Vorpreschen des Stellvertretenden Bundesvorsitzenden
Peter Marx beim Pressefest gerechtfertigt, der meinte, man müsse über
die Details des Deutschland-Paktes mit Blick auf Thüringen noch einmal
reden. Das wäre in der Tat wohl wünschenswert, um die Basis
Mitteldeutschland zu verfestigen, die dann für einen Sprung in den
Westen gut sein könnte.
Soweit es die Arbeit der neuen Fraktion im Landtag von
Mecklenburg-Vorpommern betrifft, wird man abwarten müssen, ob sie in
vergleichbarer Weise Tritt faßt wie die in Sachsen. Wegen der
geringeren Größe sind Abrieberscheinungen wie die Austritte von drei
Abgeordneten eher unwahrscheinlich; das ist schon einmal ein Pluspunkt.
Ob eine hinreichende Profilierung möglich sein wird, wird die Zeit
ergeben. Auch als Kritiker wird man dabei berücksichtigen müssen, daß
eine neue Regierung eine „Schonfrist“ von hundert Tagen genießt;
und um so mehr wird diese für eine völlig neu gebildete Fraktion
gelten müssen. Dabei ist die Aufgabe der Fraktion in Schwerin noch
nicht einmal, besonders produktiv zu sein – es wird reichen, wenn sie
sich keine groben Schnitzer erlaubt.
Und damit wird die Anwesenheit der nationalen Opposition sowohl in den
Parlamenten als auch auf den Straßen oder generell in den öffentlichen
Räumen wieder mehr ein Stück Normalität; und das ist gut so!
Christian Worch
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