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Stade, 25.3.2006


Nachricht von:
Christian Worch

Hamburg, den 25. März 2006


Demonstration in Stade

Die von dem stellvertretenden NPD-Landesvorsitzenden Adolf Dammann angemeldete Demonstration in Stade fand heute nahezu völlig störungsfrei statt.

Hintergrund der Anmeldung war ein Strafprozeß gegen Adolf Dammann (und ein weiteres NPD-Mitglied), in dem Dammann vom Amtsgericht Stade wegen Verunglimpfung der BRD sowie Beleidigung zweier BRD-Politiker verurteilt worden war. Wie fragwürdig diese Verurteilung war, beweist eine schriftliche Stellungnahme des Amtsgerichts Buxtehude, das den Erlaß eines Durchsuchungsbefehls gegen Adolf Dammann abgelehnt hatte. Das AG Buxtehude meinte, es sei keine Verunglimpfung der BRD, wenn diese scheinsouverän genannt werde, weil die BRD inzwischen einige – teilweise maßgebliche – Hoheitsrechte an supranationale Organisationen wie die EU abgegeben habe. Und daß Adolf Dammann Politiker von CDU und SPD als „Kehdinger Witzfigur“ oder als „Sozioten“ bezeichnet habe, sei keine so gravierende Beleidigung, wenn man sich andererseits vergewärtige, wie die NPD und ihre Mitglieder bisweilen in Kreisen der CDU oder SPD genannt würden....

Leider war für den Strafprozeß nicht das Amtsgericht Buxtehude zuständig, sondern das in Stade. Vielleicht gibt es einen "„Stader Klüngel“, wo auch das Amtsgericht zugehört?! Jedenfalls wurde Adolf Dammann verurteilt, und auf gut oppositionell-dissidente Weise wehrte er sich dagegen nicht nur mit einer Berufung zum Landgericht, sondern auch mit einer Demonstration.

Wie häufig üblich, rief allerdings auch diese Demonstrationsanmeldung im Vorfeld wieder einen Rechtskampf hervor; die Stadt verlegte die Veranstaltung aus dem Innenstadtbereich in die Südstadt, wogegen Adolf Dammann sich erfolglos vor dem Verwaltungsgericht Stade und dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg wehrte. Vorwand für die Verlegung war eine in Stade stattfindende Messe.

Besonders frech war dabei auch noch, daß der Platz der Auftakt- und Abschlußkundgebung der Ersatzroute, der Berliner Platz, laut vollziehbar gebliebener Auflage jeweils nur eine halbe Stunde zur Verfügung stand, weil die Polizei meinte, während dieser Kundgebungen den Fahrverkehr auf der vielbefahrenen Harburger Straße (die auch eine der Zufahrten zur Messe war) sperren zu müssen. Sowohl bei der Auftaktkundgebung als auch bei der Abschlußkundgebung konnte ich beobachten, daß der Fahrverkehr in beide Richtungen völlig ungehindert floß. Da fragt man sich als Außenstehender, ob die Stader Polizei einfach inkompetent ist oder ob sie vor Gericht frech lügt? Eine andere als eine dieser beiden Möglichkeiten fällt mir dazu nicht ein!

Zu der Versammlung kamen nach einer Zählung 205, nach einer anderen Zählung 212 Teilnehmer, was für die eher bedingt mobilisierungsstarke Region Norddeutschland als sehr erfolgreich anzusehen ist. Die Polizei schrieb in ihrem Bericht von ungefähr 200, während das Stader Tageblatt in seiner Online-Ausgabe daraus vorsichtshalber mal 150 machte. Nun, da Journalisten nicht die gleichen beruflichen Anforderungen erfüllen müssen wie Beamte (für die gibt es nämlich einen Einstellungstest und Prüfungen, während Journalist jeder werden kann, der Lust hat), sei den Presseleuten nachgesehen, daß sie es mit dem Zählen nicht so sehr haben. (Aber warum fragen sie dann nicht jemanden, der davon was versteht?)

Zur Auftaktkundgebung sprachen Adolf Dammann selbst und Alexander Hohensee aus Hamburg.

Die Zwischenkundgebung auf einem Platz, der zwar keine grüne Wiese war, sondern eher eine grün-bräunliche, ansonsten aber auch recht leer von Passanten, sprach meine Wenigkeit.

Die Abschlußkundgebung bestritten die Kameraden Lüdtke und Hans-Gerd Wiechmann aus Lüneburg.

Die Polizei gefiel sich darin, die Personalien zweier der Redner festzustellen; bei dem ersten, weil er seine Rede mit den Worten „alles für Deutschland“ beendet hatte (was daran strafbar sein soll, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis), bei dem zweiten weiß ich nicht mal, weshalb.... Außerdem gefiel man sich in kleinlichen Schikanen wegen äußerlich völlig unauffälligen Schuhwerks, während an anderer Stelle der Stadt linke Demonstranten mindestens vereinzelt mit Flaschen auf Polizeibeamte warfen. Ob die Flaschenwerfer auflagengemäßes Schuhwerk hatten? Oder ob man ihnen überhaupt keine Auflagen erteilt hat und sie aus Ärger über diese Ungleichbehandlung Flaschen auf Beamten geworfen haben? Oder hat man einfach versäumt, ihnen die Auflage zu machen, keine Flaschen zu werfen?

Linksextreme bis gutmenschliche Gegenaktionen fanden auch statt, waren aber nördlich der Bahnlinie, die Stade mehr oder minder hälftig teilt, so daß wir sie kaum wahrnehmen konnten. Nach Medienberichten hat die PDS mit 850 Teilnehmern eine Demo durch ein stark von linken beziehungsweise alternativen Jugendlichen bewohntes Viertel durchgeführt. Diese verlief ohne Zwischenfälle. Später trafen sich etwa 200 Gutmenschen auf dem Wilhardikirchhof. Den Honoratioren beziehungsweise Kirchenleuten mag es ein wenig peinlich gewesen sein, daß ihre Kundgebung eine so viel schwächere Resonanz fand wie die der PDS.

Die zwangsweise Verlegung der Demonstration in die Südstadt stellt natürlich geradezu eine Einladung dar, demnächst wieder in Stade zu demonstrieren. Ein Termin dafür ist noch nicht festgelegt. Aber im September ist im Lande Niedersachsen Kommunalwahl. Da ließen sich vielleicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ich zumindest denke, daß eine Demo in Wahlkampfzeiten recht gut kommen könnte, und vielleicht hat sie auch einen Einfluß auf örtliche Wahlergebnisse.

Christian Worch


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