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GRAFENWÖHR-NACHLESE


Nachricht von:
Christian Worch

Hamburg, den 21. März 2006



GRAFENWÖHR-NACHLESE

Liebe Kameradinnen und Kameraden,

am Sonnabend, dem 18. März, fand im oberpfälzischen Grafenwöhr eine Demonstration zur Solidarität mit dem Iran und gegen die US-amerikanische Kriegspolitik statt. Vereinzelt wurde ich später gefragt, ob es noch einen Demonstrationsbericht von mir gäbe. Nun, wegen der großen Entfernung und anderen Terminen war ich erst am späten Sonntagabend zuhause, und da war es mir eigentlich schon fast ein wenig zu spät, noch einen Bericht per Rundmail herumzuschicken oder auf die 1mai.net-Seite zu setzen. In unserer schnellebigen Zeit ist eine solche eher kleine Demonstration (62 oder 63 gezählte Teilnehmer, keine besonderen Zwischenfälle) ja anderthalb Tage später schon fast vergessen. Auch, weil „nach der Demo vor der Demo“ ist und fast nahtlos die Vorbereitungen für die nächste Aktion beginnen.

Jetzt aber bekam ich von ortsansässigen Kameraden einen Bericht aus dem Nordbayerischen Kurier vom 20. März übermittelt, der sich teilweise ganz amüsant und sogar fast schmeichelhaft liest. Als kleine Nachlese will ich ihn Euch nicht vorenthalten.

„Im Gegensatz zu vorausgegangenen NPD-Demonstrationen in Grafenwöhr ließen sich eine deutlich bessere Organisationsstruktur und rhetorisch ausgefeiltere Strategie erkennen. Der Auftritt der Führungskräfte, wie des bundesweit seit den 70-er Jahren als rechtsradikal und ausländerfeindlich agierenden Christian Worch, war gepflegt, dessen Kundgebung dafür um so beängstigender. Das Image des Springerstiefel und Bomberjacke tragenden, dumpfen Neonazis wurde zumindest optisch kaschiert.“

Wir haben also eine deutlich bessere Organisationsstruktur, weil wir imstande sind, binnen fünfzehn Minuten vier Lautsprechertrichter auf das Autodach eines Mittelklasse-PKWs zu montieren und weil der Veranstalter vorsichtshalber zwanzig statt der tatsächlich benötigten fünf oder sechs Ordner-Armbinden mitgebracht hat und weil die Ordner nicht nur eine mündliche Einweisung in ihre Aufgaben bekamen, sondern sogar einen vorgedruckten Merkzettel. Und wir haben einen gepflegten Auftritt, weil wir mal nicht die alte Lederjacke oder eine Windjacke tragen, sondern den grauen Trenchcoat von „Yorn for men“ und darunter sogar das dunkelblaue Klub-Jackett von „Konen – Atelier Torino – München“. Und unsere Strategie ist rhetorisch ausgefeilt, weil wir nicht nur dumpf brüllen, sondern sogar
sachlich reden können.

Bemerkenswert.

Fast könnte man uns für Nachwuchs-Honoratioren einer nordostbayerischen Kleinstadt halten!

Und wenn wir dem Nordbayerischen Kurier dann noch erzählen würden, daß der Vater Arzt war und die Mutter Geschäftsführerin und der Onkel Leitender Regierungsdirektor und Justitiar der Niedersächsischen Landesregierung, dann könnte man uns glatt für gutbürgerliche Radikale halten.

Wenn wir dem Nordbayerischen Kurier dann weiterhin erzählen würden, daß wir vor cirka zehn Jahren das letzte Mal Springerstiefel an den Füßen hatten und noch nie in unserem Leben im Besitz einer Bomberjacke waren, würde uns möglicherweise sogar die CSU als Mitglied zu werben versuchen. Wenn wir denn Bayer wären und nicht Hamburger....

Ja, es kann schon lustig sein, wenn die beliebten Klischees irgendwie nicht mehr passen. Wir würden das Bild gern gerade rücken, indem wir bei nächster Gelegenheit mit einem Dolch zwischen den Zähnen und einer Handgranate in der Hosentasche öffentlich auftreten. Aber das ist bei Demonstrationen leider nicht möglich; das Mitbringen von Waffen zu einer Demonstration ist gesetzlich verboten. Und der Besitz von Handgranaten ist sogar nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz verboten; wäre mithin also ein ganz schwerer Verstoß. Also bleibt uns gar keine andere Wahl, als durch gepflegtes Auftreten, deutlich bessere Organisationsstruktur und rhetorisch geschickte Strategie mehrheitsfähig zu werden.

Aber schon vor fast dreißig Jahren hat Michael Kühnen uns definiert als „eine Massenbewegung im Wartestadium“.

Hat also schon seine Richtigkeit, wenn wir gelegentlich die Mehrheitsfähigkeit demonstrieren....

Mit besten Grüßen
Christian Worch


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