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Halbe-Rundschreiben

Nachricht von:
Christian Worch

Hamburg, 13. November 2005

Wir haben es natürlich vorher gewußt. Nicht, weil wir Hellseher sind. Sondern weil es angekündigt war. Und weil Leute wie der Ministerpräsident von Brandenburg (der neue Hoffnungsträger der SPD, nachdem Müntefering die Faxen dicke hatte) oder sein Innenminister Schönbohm oder der Landtagspräsident dabei waren. Und weil zumindest letzterer es ganz offen gesagt hatte. Daß man nämlich den Trauermarsch zum Friedhof verhindern wolle.

Natürlich hat der Veranstalter, Kamerad Lars Jacobs, deshalb einen Antrag auf Einstweilige Anordnung an das Verwaltungsgericht Cottbus gestellt, damit dieses der Polizei Frenkfurt/Oder gegenüber anordne, daß Gegenveranstaltungen wie der sogenannte „Tag der Demokratie“ nur östlich der Bahngleise stattfinden dürften. Denn gerade wenn diese in der Schweriner Straße stattfinden würde und gerade wenn der (nebenbei bequemste) Anreiseweg für die Gegendemonstranten freigehalten wird (und wir auf einen weiten Umweg gezwungen werden, schon in der Anreise), dann ist klar, daß bei solchen Aufforderungen die Gegendemonstranten nicht in die Schweriner Straße ziehen, sondern die Kreuzung blockieren werden. Die einzige Strecke, die zum Friedhof führt.

Das Verwaltungsgericht sah das nicht so. Trotz der eindeutigen Bezugnahmen auf Potsdam eine Woche vorher meinte es, Halbe sei nicht Potsdam. Und die Polizei werde eine eventuelle Kreuzungsbesetzung schon pflichtgemäß räumen.

Offenbar sind Verwaltungsrichter Träumer. Die Luft in den staubigen Gerichtssälen scheint den Blick für die Realitäten zu trüben. Das Polizeipräsidium wollte auf Biegen und Brechen, daß wir nicht zum Friedhof kommen. Weil sie vor Gericht damit scheiterten, ließen sie halt die sogenannten „Demokraten“ gewähren und blockierten mit Hilfe des staatlichen Gewaltmonopols uns. Man nennt so was Rechtsbruch. Eine Besetzung einer Kreuzung, um Leute nicht durchzulassen, die ein gerichtlich bestätigtes Recht darauf haben, über diese Kreuzung zum Friedhof zu ziehen, nennt man Nötigung. Nötigung ist eine Straftat. Die Nichtverfolgung von Straftaten durch die Polizei nennt man auch eine Straftat, nämlich Strafvereitelung im Amt....

Genau wie in Potsdam eine Woche vorher oder wie am 8. Mai ist das Grundgesetz in Halbe gebrochen worden, von staatlichen Stellen. Man nennt so was verfassungsfeindlich. Oder verfassungswidrig. Welcher von beiden Ausdrücken, ist mir eigentlich egal; es läuft aufs gleiche hinaus.

Eine schallende Ohrfeige für die Gerichte. Macht geht vor Recht. Da braucht die Justiz noch nicht einmal die Hure der Herrschenden zu sein (was sie hier nicht war). Da wird sie von den Herrschenden dann eben einfach behandelt, als wäre sie eine.

Lustig ist dabei, daß jemand wie der Ministerpräsident Placzek (ich habe immer Schwierigkeiten, seinen Namen richtig zu schreiben; muß entweder an mangelndem Bildungsniveau meinerseits liegen oder daran, daß der Name in meinen Ohren irgendwie nicht so richtig ur-deutsch klingt) dem Irrglauben frönt, „es gäbe in Brandenburg mehr Demokraten als in ganz Deutschland Neonazis“.

Zunächst einmal muß man sich die Frage stellen, ob man Leute, die das Grundgesetz mißachten, im herkömmlichen Sinne überhaupt noch Demokraten nennen kann.

Aber wenn man das mal außen vor läßt, dann sagen uns neuste Umfragen in Brandenburg, daß 43 Prozent der dort repräsentativ Befragten die Demokratie bundesdeutscher Prägung durchaus nicht für das beste aller vorstellbaren politischen Systeme halten.

Herr Placzek und seine Helfer sind bestrebt, diesen Prozentsatz noch zu erhöhen; dafür muß ihnen Dank gesagt werden.

Darin liegt auch der Grund für die zunehmenden Rechtsbrüche gerade hochrangiger Politiker. Sie wissen, daß es mit ihnen durch die große Koalition noch weiter abwärts gehen wird. Sie sehen, daß die Nicht-Wähler schon in absoluten Zahlen mehr sind als die Wähler jeder einzelnen der beiden sogenannten „Großen Volksparteien“. Und daß es nicht mehr lange dauern wird, bis Nicht-Wähler und Protestwähler zusammen mehr sind als die Wähler dieser beiden sogenannten „Großen Volksparteien“.

Selbst wenn Rechtsbrüche wie der vom 12. November nicht dazu führen, daß die Menschen in Scharen zu uns strömen – sie wenden sich dafür zumindest in Scharen von den Herren Placzek, Schönbohm oder Gunter Fritzsch (dem Landtagspräsidenten von Brandenburg) ab.

Was ein Anfang ist.

Ein ausbaufähiger Anfang.

Hamburg, an Heldengedenken (13. November) 2005
Christian Worch


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