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Quo vadis (*), Volksfront?

Hamburg, 19. September 2005
Christian Worch

Quo vadis (*), Volksfront?

(*wohin gehst du?)

„Alles zwischen einem und sechs Prozent“, antwortete ein NPD-Bundesvorstandsmitglied, das ich im Sommer traf, auf meine Frage, was er als Ergebnis der Bundestagswahl erwarte. Der Mann hatte recht. Allerdings hatte er klugerweise den Bogen seiner Erwartung so weit gespannt, daß er nicht in die Zwickmühle geraten konnte. Weder konnte man ihm vorwerfen, übertriebene Erwartungen zu schüren, noch konnte man ihm vorwerfen, defätistisch ein möglicherweise besseres Ergebnis vorher kleingeredet zu haben. Da ich weder der Partei noch ihrem Bundesvorstand angehöre, konnte ich es offener ausdrücken, wenn mich jemand gefragt hat. „Ein Prozent traue ich der NPD zu; und mit ein wenig Glück mag es bis zu zwei Prozent gehen.“ Womit ich – der geneigte Leser möge sich jetzt bitte vorstellen, daß ich mir selbst auf die Schulter klopfe – durchaus richtig lag.

Richtiger jedenfalls als die NPD-Offiziellen, die im Vorfeld verbreiteten, die NPD werde wenn schon nicht mit fünf Prozent, dann aber mit bundesweit drei Prozent und drei oder vier Direktmandaten den Einzug in den Bundestag schaffen.

Wenn man die Partei ein bißchen kennt – oder auch ein bißchen besser.... - , stößt man über all die Jahre immer wieder auf den gleichen Mechanismus. Vor einer Wahl wird vor allem dem eigenen Anhang ungeheuer viel versprochen, und nachdem sich davon nur ein kleiner Teil erfüllt hat, wird mit nahezu identischen Worten wie bei früheren Gelegenheiten erklärt, warum auch dieses Ergebnis als Erfolg zu werten ist; nein, nicht zu werten ist, sondern ein Erfolg IST.

Von den Direktkandidaten, die die NPD aufgestellt hat, hat Uwe Leichsenring in der Sächsischen Schweiz am besten abgeschnitten; etwas über neun Prozent; also ziemlich in dem Rahmen, was die NPD in Sachsen bei der Landtagswahl an Zweitstimmen (landesweit) bekommen hat. Zweitbester war Holger Apfel mit rund 7,5 Prozent, gleichfalls in Sachsen. Der Rest war unter ferner liefen. Ernsthaft an ein Direktmandat ist aber nicht einmal der NPD-Top-Mann Leichsenring herangekommen.

Und daß die NPD auf Bundesebene ihr Wahlergebnis der Europa-Wahl (1 Prozent) veranderthalbfacht hat (1,6 Prozent), wird sicherlich den Schatzmeister sehr freuen; ansonsten aber ist es politisch marginal. Marginal heißt – am Rande. Heißt noch offener ausgedrückt – bedeutungslos!

Trotzdem lohnt es, diese beiden Ergebnisse miteinander zu vergleichen, das vom Juni 2004 und das vom September 2005. Das lohnt sich nicht nur für den Bundesschatzmeister der NPD, der für jedes volle Prozent an Wählerstimmen für die NPD ungefähr eine Million EURO in die Parteikasse bekommt; unter dem Strich also ca. 1,6 Mio und damit zweifellos erheblich mehr, als die Partei für den Wahlkampf ausgegeben hat.

Es lohnt deshalb, weil Juni 2004 vor der „Volksfront von rechts“ war und September 2005 nach der „Volksfront von rechts“.

Diese „Volksfront“ hat noch immer – obwohl sie jetzt ein Jahr besteht oder, richtiger gesagt, seit einem Jahr proklamiert ist – nicht wirklich deutlich gemacht, was sie denn nun ist. Sicher ist nur, daß sie ein Wahlbündnis zwischen NPD und DVU ist, soweit es die parteiliche Ebene betrifft, und ein Wahlunterstützungsverein vor allem zugunsten der NPD (marginal zugunsten der DVU), soweit es die daran beteiligten parteifreien, radikalen Kräfte betrifft.

Also hat die NPD mit der Unterstützung des Multimillionärs Dr. Frey und seiner Partei, die auf dem Papier sogar mehr Mitglieder hat als die NPD, und mit der selbstaufreibenden Unterstützung parteifreier Aktivisten ihr Ergebnis gerade mal veranderthalbfacht. Theoretisch – zahlenmäßig – ist sie dreimal so stark wie früher, und dann nur ein anderthalbmal so starkes Ergebnis?!

Da haut doch irgendwas nicht hin.....

Sicherlich, man muß berücksichtigen, daß die Neigung, aussichtslose Kleinparteien zu wählen, bei einer Europawahl größer ist als bei einer Bundestagswahl. Schon die Addierung der Ergebnisse von NPD und REPs zeigt das – bei der Europa-Wahl waren es zusammen fast genau 3 Prozent; jetzt sind es zusammen 2,2 Prozent. (Woraus der geneigte Leser treffsicher schlußfolgern kann, daß die Republikaner immerhin noch 0,6 Prozent der gültigen Zweitstimmen bekommen haben, was in dem Fall zumindest deren Schatzmeister ein wenig trösten dürfte, weil das ja auch mit einer Wahlkampfkostenerstattung von ca. sechshunderttausend EURO verbunden ist....)

Aber auch diese Zahlenspielereien oder Überlegungen bleiben in dem Bereich, der marginal ist....

Immerhin hat der Parteivorsitzende der NPD, Diplom-Politologe Udo Voigt, in einer ersten Stellungnahme auf einen Umstand hingewiesen, bei dem ich ihm vorbehaltlos zustimme. Die NPD hat in Mecklenburg-Vorpommern 3,5 Prozent bekommen. Klar ist auch, daß eine Partei wie die NPD, deren Aussichten, bei dieser Wahl in den Bundestag zu kommen, als illusorisch gelten müssen, ihr Wählerpotential auf Landesebene nicht voll ausschöpfen konnte. Wenn die NPD in Mecklenburg-Vorpommern unter dem erschwerten Aspekt der „verlorenen Stimme“ schon 3,5 Prozent bekommt, dann hat sie ausgezeichnete Aussichten, bei der Landtagswahl in ziemlich genau einem Jahr über die fünf-Prozent-Hürde zu kommen und sich damit in einem zweiten Landtag zu verankern. Besonders dann, wenn die Geldmaschinerie des Dr. Frey im April 2006 für einen Einzug einer DVU-Fraktion in den Landtag von Sachsen-Anhalt sorgt. Womit die beiden im wechselseitigen Wahlbündnis stehenden Parteien dann in vier von fünf mitteldeutschen Landtagen vertreten wären, was man, auf Mitteldeutschland gesehen, schon als beinahe flächendeckend ansehen kann.

Damit wird die bisher doch eher konturlose „Volksfront“ plötzlich interessant. Denn man kann davon ausgehen, daß die NPD einen der prominentesten vormaligen parteifreien Befürworter dieser „Volksfront“ für seine Zuarbeit nicht allein mit einer bezahlten Stelle als „persönlicher Referent“ des Parteivorsitzenden belohnen wird. Immerhin war der Mann, von dem hier die Rede ist, bei der Bundestagswahl schon „Landeswahlkampfleiter für Mecklenburg-Vorpommern“. Und in Mecklenburg-Vorpommern hat im Zuge der Bundestagswahl die NPD sogar einen „Schwerpunktwahlkampf“ geführt; wie sie sich ja überhaupt (und insofern relativ erfolgreich) schwerpunktmäßig auf die „neuen Bundesländer“ konzentriert hat. Damit sehe ich vor meinem inneren Auge schon einen Mann wie Thomas Wulff seinen Namen mit dem Kürzel „MdL“ schmücken (=Mitglied des Landtages) und im Parlament in Schwerin sitzen.

Da wird es dann interessant.

Denn ohne zu wissen, wie er sich öffentlich oder im Kameradenkreis heute bezeichnet, hat sich der Mann immerhin nahezu zwei Jahrzehnte selbst als Nationalsozialist definiert und wurde (und wird wohl noch immer) in den Medien als „Neonazi“ klassifiziert.

Da beginnt dann die Nagelprobe der „Volksfront“; nicht ein Jahr nach ihrer Verkündung wie zur Zeit, sondern dann eben zwei Jahre nach ihrer wortreichen, aber nicht gerade mit strategischen Definitionen gefüllten Verkündung.

Also werden wir nach dem wahrscheinlichen, ja, sogar sehr wahrscheinlichen Einzug der NPD in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern bald sehen, ob hinter der „Volksfront“ mehr steckt als ein Wahlhelferverein für die NPD und eine berufsfördernde Maßnahme für einzelne vormals parteifreie Nationalisten. Das wird eine spannender Moment sein; ein Moment der Wahrheit.

Hamburg, 19. September 2005
Christian Worch


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