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Erfurt, 25. Juni 2005

Nachricht von:
Christian Worch


Demonstration in Erfurt am 25. Juni 2005:

Am Anfang ein wenig Schikane. Die Demo wurde verboten, das Verbot erwartungsgemäß vom Verwaltungsgericht außer Vollzug gesetzt; das war am Mittwochnachmittag. Erst am Freitagnachmittag, als das Gericht schon im Wochenende war, bekam der Veranstalter einen Auflagenbescheid. So übermittelt, daß er dagegen das Gericht nicht mehr anrufen konnte.

Bei großer Hitze und etwas drückender Luft pünktlich ankommend, erfuhr ich zu meiner Überraschung, daß das, was ich bisher als Landesfahne des Landes Thüringen kannte, nunmehr angeblich die „Landesdienstfahne“ sein solle, die laut Auflagenbescheid „nicht ohne Berechtigung“ verwendet werden dürfe.... Die Thüringer Kameraden waren sauer. Außerdem lernte ich, daß Veranstalter Michael Burkhard pro zehn Teilnehmer einen Ordner stellen solle.... Auch Michael Burkhard war sauer. Um so mehr, als die Polizei alle möglichen und unmöglichen Ordner wegen angeblicher behördlicher Zuverlässigkeit ablehnte, sinnigerweise ohne Angabe von Gründen.... Das scheint ein beliebtes neues Spiel bei der Polizei zu werden. Man wird sich hier also auf eine neue bürokratische Front im Anti-Repressionskampf einrichten müssen.

Die offenbar schikanös gemeinte Ordnerauflage hatte allerdings den Vorteil, daß die Polizei die Teilnehmerzahl so korrekt wie möglich feststellte (damit Michael Burkhard möglichst viele Ordner zu stellen hatte und möglichst viele abgelehnt werden konnten....). Zunächst waren es 241, dann erhöhte die Polizei auf 250. Eine spätere Zählung durch mich ergab exakt 252 Personen. Wir wollen der Polizei nicht vorwerfen, daß sie zwei übersehen hat – wahrscheinlich waren es mein Beifahrer und ich, die nicht durch die „Personenkontrolle“, sondern durch die „Fahrzeugkontrolle“ gekommen waren. Gut, daß man uns wohl nicht mitgezählt hat, sonst hätte Michael Burkhard 0,2 Ordner mehr stellen müssen. 0,2 Ordner zu stellen wäre nun wirklich schwierig gewesen!

Die Verzögerungen im Beginn, die damit verbunden waren, waren außer für den von der Polizei wohl absichtlich ein wenig gestreßten Veranstalter eigentlich für niemanden wirklich lästig, denn das Wetter war gut (fast zuuuuu gut), und man hatte Gelegenheit, miteinander ein wenig zu plaudern, bevor es in den Einsatz ging. Ein beliebtes Gesprächsthema unter den Demonstranten war, daß wir es bei solchem Wetter doch ungleich viel besser hätten als die in Kampfmontur aufgerödelten Polizeibeamtinnen und –beamten, die zweifellos noch mehr schwitzten als wir. Und wir schwitzten schon recht heftig!

Aber, wie heißt es: schlimmer geht immer!

Zum Auftakt sprach der NPD-Landesvorsitzende von Thüringen und Mitglied im Bundesvorstand der NPD, Frank Schwerdt.

Der – längere – erste Teil der Strecke gestaltete sich ruhig und friedlich; Störungen von antifaschistischen Gutmenschen beschränkten sich auf Trillerpfeifen, anzügliche Bemerkungen über die sexuelle Attraktivität der Demonstranten (von einer meiner Meinung nach sexuell nicht sehr attraktiven Gegendemontrantin) oder auf schamhaftes Bedecken des Gesichts mit den Händen durch eine andere Gegendemonstrantin – letzteres ein eher stummer Protest. Mir kam ein Bibelzitat in den Sinn: „Wer da Augen hat zu sehen, der sehe!“ Und eine Variante: „Und wer sie sich zuhält, der sieht nix!“ – Das ist möglicherweise kennzeichnend für die Gegendemonstranten schlechthin.....

Auf der Zwischenkundgebung sprachen der Landesvorsitzende der Deutschen Partei, Kurt Hoppe, und die parteifreie Aktivistin Ivonne Mädel.

Danach gab es eine kleine Diskussion zwischen dem Veranstalter und der Polizei. Die Polizei meinte, mit Zwischenkundgebung Domplatz sei ein Ende der Veranstaltung bis 18.oo Uhr am Bahnhof nicht realisierbar. Der Veranstalter blieb fest und beharrte auf dem Domplatz. Die Polizei beriet eine Weile, dann verkündete sie: Der Domplatz werde geräumt; der Weitermarsch könne in fünf bis sechs Minuten beginnen.

Es dauerte über zwanzig Minuten, bis er begann; aber er begann.

Inzwischen waren Wolken aufgezogen, es gab erfrischenden Wind und vereinzelte Regentropfen. Das angekündigte Gewitter blieb allerdings aus.

Das frischere Klima oder unser Vordringen in den eigentlichen Innenstadtbereich von Erfurt machte auch die Gegendemonstranten mobil; sie wurden zahlreicher und beweglicher als zuvor. Vereinzelt waren sie so beweglich, daß sie Steine warfen; einer traf sogar; ein Kamerad erlitt eine allerdings äußerst leichte Verletzung am Kopf; er wurde von eigenen Sanitätskräften verbunden und blieb marsch- und einsatzfähig.

Auf dem Domplatz hatten sich meiner Schätzung nach ungefähr doppelt soviele Gegendemonstranten versammelt, wie wir waren (also ca. 500), dazu kamen noch mal knapp zweihundert, die auf dem gegenüberliegenden Hang posierten; eine Zahl von tausend oder gar zweitausend erscheint drastisch übertrieben.

Hier hielten nun der parteifreie Aktivist Alexander Hohensee, das Mitglied im NPD-Bundesvorstand Thorsten Heise und meine Wenigkeit die Ansprachen.

Da zum Ende dieser Kundgebung (gegen 17.20 Uhr) ein Rückmarsch zum Bahnhof bis 18.oo Uhr nicht einmal für den inzwischen wieder fleißig joggenden noch-Außenminister Fischer zu schaffen gewesen wäre, holte die Polizei Busse heran. Die meisten Teilnehmer hatten keine Einwände, diesen staatlichen Fahrdienst zu nutzen; nur eine kleinere Gruppe wollte eigentlich lieber eigene Füße statt öffentlichem Personenverkehr benutzen. Da die Polziei das nicht wollte, wurden einige der Kameraden dann eben unter Anwendung von sanftem Druck und Zug in die besagten Großfahrzeuge manövriert. Wenn – nach Medienberichten – eine Handvoll linker Störer deren Abfahrt noch durch Sitzblockade zu verhindern versucht hat, so hat die Polizei diese Aktion offenbar in recht kurzer Zeit und ohne nennenswerte Zwischenfälle beendet. Womit dann durch motorisierten Abmarsch die Aktion insgesamt ihr erfolgreiches Ende fand.

Daß die antifaschistischen und linksbürgerlichen Gutmenschen ihr erklärtes Ziel, fünftausend Gegendemonstranten zu mobilisieren, nicht einmal ansatzweise erreicht haben, wird sie wohl noch eine ganze Weile ärgern. Und Erfurt hat heute seinen Ruf, eine besonders „hart antifaschistische“ Stadt zu sein, eindeutig eingebüßt. So war es also trotz anfänglicher Ärgernisse ein durchgreifender Erfolg.

Christian Worch

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