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8. Mai, Delitzsch u.a.

Nachricht von:
Christian Worch

Hamburg, den 9. Mai 2005


Die Demonstration in Delitzsch verlief gestern nahezu völlig ungestört. Nur einmal konnte ein älterer Mann (wohl PDS-Anhänger...) registriert werden, der seinen Unmut äußerte, und einmal ein jüngerer Mann, der sich darin gefiel, den Sprachchor „frei, sozial und national!“ in „frei, sozial und asozial“ abzuwandeln. Wobei ich mich frage, wie man sozial und asozial zugleich sein kann. Aber sonderlich viel Denkleistung darf man von den meisten Gegendemonstranten ohnehin nicht erwarten. Die würden auch für weiße Rappen oder schwarze Schimmel demonstrieren, wenn’s drauf ankäme. – Ansonsten sollen die Gegendemonstranten nach Medienmeldungen bei 60 oder 70 Leute stark gewesen sein. Zu sehen oder zu hören waren sie bis auf die zwei erwähnten Personen nicht....

Was uns betrifft, so zählte ich 257 Teilnehmer, bis auf etwa ein Dutzend allesamt aus der Region.

Die Demonstration war mit den üblichen etwas schikanösen Auflagen bedacht, gegen die sich der Veranstalter – anders als bei dem ursprünglichen Verbot – nicht gerichtlich gewehrt hatte. So ist es natürlich problematisch, das Verbot, Lautsprecher und Megaphone auch während des Umzuges und nicht nur für die Standkungebungen einzusetzen, nicht anzufechten. Und ebenso problematisch erscheint es mir, ein auflagenmäßiges Verbot des Abspielens von André Lüders Lied „Frei, sozial und national....“ ohne Anfechtung hinzunehmen. Auf der anderen Seite muß man natürlich gerade örtlichen politischen Zusammenhängen, die weder besonders organisiert oder geschweige denn mit „Staatsknete“ ausgestattet sind, zugeben, daß das finanzielle Risiko einer eventuell schiefgehenden Anfechtung für sie schwer zu tragen ist. In dieser Hinsicht müssen wir uns wirklich mal was einfallen lassen, vor allem, wenn es um grundsätzliche Dinge geht.

Als Redner traten auf die Kameraden Schober (zugleich Anmelder und Leiter der Versammlung), Wagner, Reitz und meine Wenigkeit.

Das Wetter hielt sich ganz ordentlich, bis auf zwei sehr kurze Regenschauer blieb es trocken und teilweise sogar freundlich.

Sicherlich war der Medieneffekt einer sehr ruhig verlaufenden Demonstration in der Kreisstadt Delitzsch (ca. 26.000 Einwohner) ausgesprochen gering gegenüber dem, was in den Medien über die NPD-Demonstration (oder Nicht-Demonstration) in Berlin berichtet wurde. Aber den Kameraden in der Region ging es darum, auch einmal in einer Stadt aufzutreten, die den Ruf einer „Roten Hochburg“ hat. (Womit weniger die Antifa gemeint war als eher eine Stadt- bzw. Kreisverwaltung, die möglicherweise noch ein wenig von SED-Zeiten geprägt ist.) Das ist insofern gelungen. Und es zeigt auch, daß die Antifa nicht allgegenwärtig ist und nicht über beliebig einsetzbare Kräfte verfügt, denn indem sie sich ungemein auf Berlin konzentrierten, blieben für das nur ca. 170 Kilometer entfernte Delitzsch gerade einmal wenige Dutzend antifaschistischer Gutmenschen übrig.

Sonstige Betrachtungen über Aktionen zum 8. Mai:

Über die NPD-Veranstaltung in Berlin mag ich im Moment nicht allzuviel sagen, da ich nicht da war. Darüber, ob man die Polizei hätte unter Druck setzen können, indem man den Zeitrahmen bis 18.oo voll ausgeschöpft hätte, während gleichzeitig erste Kontingente von Teilnehmern abgerückt wären, kann man lange streiten. Man muß auch berücksichtigen, daß es ein Sonntag war und der nachfolgende Tag eben ein Werktag. Außerdem war das Wetter in Berlin wohl schlechter als wir es in Delitzsch erlebt haben; auch das mag bei solchen Entscheidungen eine Rolle spielen. Es gibt fast immer ein Für und Wider. Inwieweit der vorzeitige Abbruch der Veranstaltung wirklich – wie die Medien behaupteten – „freiwillig“ war oder inwieweit er quasi-erzwungen war, wenn die Polizei eindeutig sagte, daß der Platz nicht verlassen werden könne, ist ebenso eine Auslegungsfrage.

Wichtiger als die Frage, was man in Berlin VOR ORT vielleicht hätte anders oder besser machen können, erscheint mir die Frage, wie man möglicherweise durch planerische Maßnahmen der Veranstalter bei vergleichbaren Gelegenheiten (wenn sie sich abzeichnen) in Berlin und anderswo vorgehen kann. Denn nach einem solchen Erfolg bekomtm die Antifa üblicherweise einen kleinen Motivationsschub und wird es bei anderen Gelegenheiten – nicht nur in Berlin.... – zu wiederholen versuchen.

Ansonsten gab es noch Remagen und München.

Über die Remagen-Demonstration weiß ich bisher noch nicht viel; sie soll 110 Teilnehmer gehabt haben, und von Störungen wurde mir bisher nichts bekannt.

Die Mahnwache in München auf dem Marienplatz fiel vor allem im Vorfeld dadurchauf, daß das zuständige Kreisverwaltungsreferat (Ordnungsamt) der Stadt München versuchte, sie auf den Montag und an einen anderen Ort zu verlegen. Damit scheiterten sie vor dem Verwaltungsgericht beziehungsweise Verwaltungsgerichtshof. Es muß den Bayerischen Innenminister Beckstein sehr geärgert haben, daß seine Leute vor Gericht weniger erfolgreich waren als deren Amtskollegen in Berlin.... – Die Veranstaltung selber hatte (vielleicht gerade auch wegen der Medienresonanz und dem erfolgreichen Rechtskamp im Vorfeld) einen größeren Zulauf als die angemeldeten 25 Teilnehmer; es waren rund 70. Ihnen standen schätzungsweise sechs- bis siebenhundert Gegendemonstranten auf dem Marienplatz gegenüber.

Von einer Veranstaltung in Arnstadt mit ca. 35 Teilnehmern wurde mir erst später durch interne Quellen bekannt.

Mit besten Grüßen
Christian Worch

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